Ängste und Unsicherheiten verstärken

Jasy

TeamSchule.ch
11. Feb. 2011
4.100
1.321
0
64
Die nachfolgende Aussage von Anne im R…-Hetze-Thread hat mich dazu angeregt, für mich ein paar Überlegungen zum Thema „Angst“ anzustellen und sie hier niederzuschreiben.

Beim Yorkie fand ich das Meideverhalten schon extrem, und R….. Aussage, dass er normalerweise nicht zum Trösten in der Angst rate, weil das die Angst verstärke, ist mittlerweile überholt. Allerdings noch nicht sehr lange, und man darf nicht vergessen, dass diese Sendung in der Regel erst etwa ein halbes bis sogar ein ganzes Jahr nach Dreh auch ausgestrahlt werden.
Lange Zeit hiess es, man dürfe seinen Hund nicht trösten oder beachten, weil man damit dessen Angst verstärke. Inzwischen weiss man, dass diese Aussage in dieser absoluten Form nicht korrekt ist. Aber ist denn nun die gegenteilige Aussage besser? Oder können nicht je nach Kontext beide Verhalten genau so richtig oder falsch sein?
Und was ist Angst eigentlich? Verstehen Alle das Gleiche darunter, wenn sie von Angst sprechen oder gibt es da Unterschiede? Und wenn ja, worin bestehen diese?

Deshalb hier eine erst einmal eine erste Unterteilung samt nachfolgenden Definitionen, wie sie auch Sophie Strodtbeck im Hundemagazin Wuff gemacht hat und wie sie im Internet zu finden ist:

- Unsicherheit

- Angst -> Panik

- Furcht -> Phobie

Abgesehen von den Definitionen basieren alle nachfolgenden Ausführungen auf meinen eigenen Erfahrungen (deswegen auch keine weiteren Quellenangaben)

Unsicherheit (ungerichtet und/oder gerichtet / noch handlungsfähig)

Unsicherheit lässt einen Hund vorsichtiger agieren. Er hat aber keine Angst und ist daher in der Lage, autonom und überlegt zu handeln.

Um diese Unsicherheiten abzubauen und/oder den Hund zu lehren gelassener damit umzugehen, helfen viele neutrale oder positive Erfahrungen mit den entsprechenden Situationen und Dingen.

Jedoch kann die gezeigte Unsicherheit auch in Angst oder Furcht umschlagen. Und zwar dann, wenn entweder

  • mehrmalige schlechte Erfahrungen zeigen, dass die Unsicherheit zu recht bestanden hat
  • der Mensch selbst falsch reagiert. Sei es, weil er selbst unsicher wird (oder zumindest so wirkt) oder er seinen Hund mit vielen Worten und hektischem Streicheln zu beruhigen versucht
  • der Mensch den Hund überfordert, indem er ihn permanent oder in zu starker Form mit diesen Situationen konfrontiert.
Angst (von seinem Inneren kommend, ungerichtet -> lähmend)

Von Angst spricht man, wenn diese ungerichtet, d.h. nicht auf eine bestimmte, vorhandene Gefahr bezogen ist. Ein ängstlicher Hund hat dabei das Gefühl, dass gleich etwas Schlimmes passiert, ohne dass es einen tatsächlichen Grund dafür gibt oder weil er nicht weiss, wie er das Eintreten eines unangenehmen Reizes verhindern kann.

Im Gegensatz zur Unsicherheit lähmt ihn jedoch diese Angst und er ist irgendwann nicht mehr in der Lage kontrolliert zu agieren oder auf ein Kommando zu reagieren. Im schlimmsten Fall geht ein solcher Hund in eine völlige Resignation.

Lasse ich einen ängstlichen Hund in einem solchen Moment mit seiner Angst alleine (so wie es früher häufig empfohlen wurde), dann verliert der Hund alles, was er in diesem Moment noch an Sicherheit habe könnte.

Biete ich ihm im dem Augenblick jedoch meinen Schutz und meine Sicherheit und stärke langfristig sein Vertrauen in sich selbst, in dem ich sein Selbstvertrauen durch entsprechende Übungen aufbaue, erreiche ich für diesen Hund eine Verbesserung seiner Lebensqualität.

Furcht (von der Aussenwelt kommend, auf etwas bezogen -> agierend)

Im Gegensatz zur Angst richtet sich die Furcht auf eine ganz bestimmte Bedrohung oder Gefahr, die es abzuwenden gilt.

Je nach Typ, Vorerfahrung und Situation wird dieser Hund auf sich alleine gestellt, die Lösung im Normalfall in der Flucht oder im Angriff suchen.

Deshalb biete ich auch einem Hund, der sich fürchtet erst einmal Schutz und Sicherheit und vor allem Abstand zur gefürchteten Gefahr.

Langfristig kann ich diesem Hund helfen, indem ich ihn mittels vielen neutralen und/oder positiven Erfahrungen an diese Situationen/Gegenstände gewöhne. Und ihm gleichzeitig auch eine bessere Alternative zum jetzigen Verhalten zeige - denn, sobald ich eine Situation durch mein Verhalten beeinflusse, bin ich ihr nicht mehr hilflos ausgeliefert.

Und hier wie bei der Angst helfen ferner selbstbewusstseinsstärkende Trainings und Alles, was zur Entspannung und zur Stressreduktion beiträgt.

Panik und Phobie

Häufig hört man auch diese Aussage: Na ja, es ist ja nicht so schlimm, er hat ja nur Angst vor…..

Dabei vergisst derjenige, dass sich beide Formen der Angst im schlimmsten Fall immer weiter steigern können. Und dann wird aus Angst auf einmal Panik oder aus Furcht eine Phobie.

Und so kann es passieren, dass ein Hund, der erst nur Angst vor grossen schwarzen Hunden hatte, sich auf einmal vor allen grossen und irgendwann vor allen Hunden fürchtet. Oder ein Hund, der sich bis vor kurzem bei Gewitter unters Bett verzogen hat, auf einmal nicht mehr vor die Türe will, weil das letzte Mal beim Vorbeigehen eine Autotüre geknallt hat.

Was bei diesem Thema auch nicht übersehen werden darf, ist, dass eine einmal vorhandene Angst/Furcht im Gedächtnis nie ganz gelöscht wird, selbst wenn sie über einen langen Zeitraum nicht mehr aufgetreten ist. Und so können diese Ängste bei einem vorbelasteten Hund viel schneller aufgrund eines kleineren Auslöser wieder auftauchen, als bei einem Hund, der noch nie damit zu tun hatte.

----------------------------

Mit meinen Ausführungen wollte ich aufzeigen, weshalb ich davon überzeugt bin, dass man, wenn man seinem Hund in einer solchen Situation Schutz und Sicherheit bietet, eine bestehende Unsicherheit/Angst oder Furcht nicht verschlimmern kann - und bei Sandro hat sich dies damals auch in der Praxis bestätigt.

Ich (als Mensch) habe ja z.B. auch nicht mehr Angst, nur weil mich jemand in den Arm nimmt. Und ich fürchte mich auch nicht stärker vor Spinnen, nur weil ich bei deren Anblick zukünftig jedes Mal ein Glacé bekomme (es könnte höchstens passieren, dass ich Glacé nicht mehr so mag, weil ich diese nur noch bekomme, wenn ich eine Spinne sehe ;-) )

Jedoch kann ich als Mensch viel dazu beitragen, dass allenfalls vorhandene oder erworbene Ängste meinen Hund nicht so einschränken, dass er keine Lebensqualität mehr hat.

Dabei hilft einerseits, dass ich ihm die richtige Unterstützung biete. Aber auch, dass ich ihm Wege aus seiner Angst zeige und ich sie nicht durch mein Verhalten noch verschlimmere, indem ich z.B.

  • selber unsicher werde/wirke
  • mich selbst erschrecke und das auch zu erkennen gebe
  • mich ganz anders verhalte als sonst üblich
  • übertrieben auf seine Ängste eingehe
  • den Hund mit Worten und/oder hektischem Streicheln zu beruhigen versuche
  • den Hund überfordere
Manchmal hilft durchaus auch ein Ignorieren. Dann nämlich wenn der Hund sich das erste mal vor etwas erschreckt und der Besitzer durch seine eigene Gelassenheit und des Nicht-Beachtens zeigt, dass da gar nichts war, über das man sich Sorgen machen muss. Sehr oft kann man das z.B. bei Welpen/Junghunden beobachten, die in einer solchen Situation erst einmal zu ihrer vertrauten Hunden/Menschen schauen/rennen. Und wenn diese darauf nicht reagieren, mit den soeben unterbrochenen Tätigkeiten weiterfahren.

---------------------

Im umgekehrten Fall kann man genau diese oben genannten Verhalten ganz bewusst im Training einsetzen, um eine Unsicherheit/Furcht zu bestärken und dadurch ein Meideverhalten beim Hund zu erreichen.

Sei es wie in dem beschriebenen Fall, indem die Besitzerin das Erschrecken ihres Hundes aufgrund des wasserspeienden Joggers kräftig lobt und ihm damit signalisiert, dass das wirklich schlimm war. Oder aber wie hier beim Fuchskackeschrei (Neue Seite 1) beschrieben, wo der Hund ganz toll dafür bestätigt wird, dass er sich nun vor den Häufchen fürchtet, die das Frauchen als so gefährlich einstuft.

Was aber auf keinen Fall gemacht werden darf, ist eine vorhandene ungerichtete Angst eines Hundes zu bestärken. Denn Angst schränkt nicht nur die gesamte Lebensqualität ein, sie beeinflusst auch die Grundeinstellung eines Lebewesens allem anderen gegenüber. Und es darf auch niemals eine solch starke Furcht in Kauf genommen werden, dass der Hund danach zusammenbricht oder seine Furcht in Aggression gegen das Angstmachende umschlagen lässt.

Deshalb ist beim Entscheid, ein Meideverhalten über Furcht/Unsicherheit bewusst aufzubauen, immer erst eine Analyse der vorliegenden Angstform aber auch des jeweiligen Hundetyps vorzunehmen und danach zu entscheiden, ob und wie dieses überhaupt aufgebaut werden soll.

Und nun freue ich mich auf euren Feedback, Erfahrungen und Ergänzungen. Aber auch Verbesserungen, wenn ihr Dinge anders seht oder ich was falsch oder missverständlich beschrieben habe.

Moni

 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Und nun freue ich mich auf euren Feedback, Erfahrungen und Ergänzungen. Aber auch Verbesserungen, wenn ihr Dinge anders seht oder ich was falsch oder missverständlich beschrieben habe.
Vielen Dank Moni für den interessanten Beitrag. Das ist eine sehr komplexe Sache mit der Angst und der Furcht und der Unsicherheit. Ich werde es mir morgen noch ein paar mal in Ruhe und vor allem in ausgeschlafenem Zustand durchlesen und gerne mein Feedback dazu geben.

 
also zum thema angst kann ich was beisteuern!
kann zwar nicht gerade einordnen in welche kat. es gehört, ich bescheibe einfach mal jeeps verhalten:
bei brücken zeigte er von fast anfangan meideverhalten. das ging bis vor einpaar monaten soweit, dass er den schwanz einzog, sich flach auf den boden legte- alle 4 auf die seite gestreckt- und zitterte. erwähnenswert ist, dass ich auch angst vor brücken habe. ich meide sie nach möglichkeit und wenn ich rüber muss bin ich abgespannt und gehe so schnell wie möglich durch (extreme höhenangst). da wir aber auch schon über brücken mussten habe ich jeep anfangs halt unten im wagen verstaut, später einfach an der leine durchgezogen (ja steinigt mich, ich möchte euch sehen wie ihr reagiert wenn ihr selbst im stress seid und vorwärtskommen MüSST!). mittlerweile geht er ohne probleme und freiwilig drüber, entspannt wie mir scheint, sodass ich manchmal ein "herzchriesi" bekomme wie nah er am rand steht. ich persönlich habe seine angst einfach ignoriert. ich glaube also, selbst wenn der besi angst zeigt, ist es durchaus möglich dass dies den hund egal sein kann.
zum anderen:
jeep war auch ein "jogger, biker, und alles-was-sich-schnell-bewegt-jäger", die die jeep noch in erinnerung haben als er ca.um die 4 monate alt war können das leider bestätigen...
ich habe dies ohne meideverhalten wegbekommen! und er versuchte auch nach fladdernden hosen zu schnappen, rannte kläffend nach und wollte stoppen!
ich habe das mit dem altbewährten (ja ich gehöre auch hier teils zum alten schlag) schlepp- resp. flexi-training wegbekommen. sobald er los wollte ein "nein" und als er nicht gestoppt hatte gabs halt den stopp. heute ignoriert er grösstenteils schnelle leute, wenn ich sehe, dass er los will sage ich "nein" und dann geht er nicht hin. das ganze ging halt schon einige zeit bis er kapiert habe dass ich es ernst meine (so gute 3 monate bis es einigermassen gaklappt hat).

ich bin kein fan von meideverhalten-antrainieren. da ich nicht die angst und unsicherheit schüren möchte. mein hund soll nicht aus angst, sondern aus gehorsam folgen. er soll auch nicht lernen, dass andere ihn massregeln, sondern ich tue das.

ich hoffe, meine 2 beispiele sind nicht am thema vorbei? ist halt das einzige was mir- mit jeep- dazu grad eingefallen ist...

 
ich finde man muss es von 2 seiten sehen..
habe ich zeit und ist ein (fehl)verhalten vom hund nicht gerade sehr tragisch, kann ich durchaus die zeit in anspruch nehmen um an dem problem länger zu arbeiten.
hat man keine zeit und das (fehl)verhalten vom hund gefährdet andere extrem, oder er sich selbst, kann man gezielt das meideverhalten als trainingszweck einsetzen.
das gewisse knowhow hierzu muss jedoch vorhanden sein, da ansonsten eben anderweitige fehlverknüpfungen erfolgen könnten und dies schlussendlich fatale folgen haben könnte.

 
Ich muss erstmal genauer lesen und werde dann meinen Senf dazugeben. Aber schonmal vielen Dank für den Text und die Mühe

 
Ayka ist ja eine selbstsichere, souveräne Hündin, welche i.d.R. fast vor gar nichts Angst hat.
Nur am 1. August und Silvester hat sie regelmässig Stress (offenbar falsches Verhalten meines Partners und somit falsche Verknüpfung). Lange Zeit habe ich das bestmöglichst ignoriert, also ich habe sie gar nicht mehr zur Kenntnis genommen und wurde fast schon böse. Ich bin nun auch zur Erkenntnis gelangt (leider viel zu spät), dass mein Verhalten falsch ist. Letzten Silvester, als es rund ums Haus wieder extrem geknallt hat, habe ich sie ermuntert, zu mir ins Bett zu kommen (jaja, manchmal verschlafe ich den Silverster auch, falls möglich, oder lese im Bett). Ich habe mich bemüht, möglichst ruhig zu bleiben (das Geknalle regt mich nämlich auch extrem auf :wall: ) und habe ohne Worte meine Hand auf sie gelegt. Meine Hunde dürfen sonst nicht in mein Bett, aber bei Ayka mache ich nun an solchen Tagen eine Ausnahme. Ich konnte feststellen, dass sie viel ruhiger wurde und nicht mehr so gestresst war. Leider habe ich mich über Jahre hinweg falsch verhalten, was mir sehr Leid tut, aber besser jetzt als nie.

In bin auch der Meinung, manchmal ist es besser, ein Fehlverhalten raschmöglichst zu korrigieren, auch über Meideverhalten, wenn das funktioniert) als über Monate hinweg die Gefährdung von anderen Menschen oder dem eigenen Hund in Kauf nehmen zu müssen.

 
Manchmal hilft durchaus auch ein Ignorieren. Dann nämlich wenn der Hund sich das erste mal vor etwas erschreckt und der Besitzer durch seine eigene Gelassenheit und des Nicht-Beachtens zeigt, dass da gar nichts war, über das man sich Sorgen machen muss. Sehr oft kann man das z.B. bei Welpen/Junghunden beobachten, die in einer solchen Situation erst einmal zu ihrer vertrauten Hunden/Menschen schauen/rennen. Und wenn diese darauf nicht reagieren, mit den soeben unterbrochenen Tätigkeiten weiterfahren.

Moni
Beim Ignorieren bin ich bei meiner Quirine zur "Weltmeisterin" geworden. :DIch würde nicht sagen, dass sie eine ängstliche Hündin ist, aber sie ist vorsichtig und durch mein Verhalten (in diesem Fall richtig) ist sie schon sehr viel sicherer geworden. Sie schaut mich an und wenn ich nicht reagiere, ist das dann ok.

 
Ich finde das ein sehr spannendes Thema und finde es manchmal extrem schwierig in einer solchen Situation schon Anfang an, richtig zu verhalten.
Oft passiert doch das ein ängstlicher Hund lernt, seine Angst unter dem Deckmantel Aggression zu verstecken. Dann heisst es, dieser Hund ist Aggressiv und man macht nur noch mehr Druck und Zwang, stattdessen hat der Hund einfach panische Angst und hat gelernt, dass seine Aggressionen Eindruck machen und so ein Erfolgserlebniss hat mit seinem Verhalten.
Ina ist keine ängstliche Hündin hat aber doch viele Unsicherheiten. Sieht sie ein Objekt des Grauens stellt sie die Haare, knurrt und verbellt das Objekt. Nun finde ich es wichtig nicht das Knurren zu bestätigen sondern wenn sie den Mut zusammenfasst und einen Schritt auf das Objekt macht. Das gibt ihr Selbstvertrauen und motiviert. Nur in sehr seltenen Fällen gehe ich vor zum Objekt, denn so hätte ich die Situation wieder für sie gelöst. Ich möchte aber das sie mehr Selbstvertraue kriegt und sie mit meiner stimmlichen Unterstützung selber zum Objekt des Grauens vorgeht. Anders sieht es wieder aus wenn ihr Trieb im Spiel ist (so wie die Steaks jagen auf der Weide). Dann muss ich eingreifen damit die Kühe und sie nicht gefährdet werden. Jedoch denke ich das bei den Kühen auch eine Unsicherheit mitspielt und zusammen mit ihrem Trieb eine gefährliche Mischung gibt.
Es gab nur ein paar Situationen in denen sie wircklich Angst hatte ( z.b. bei einem Rudel Hunden ), da biete ich ihr Schutz an bei mir in dem ich in die Hocke gehe und sie zwischen meine Beine darf und das nimmt sie immer dankbar an. Jedoch sage ich oder streichle ich sie in einer solchen Situation nicht, allenfalls lege ich eine Hand auf sie.
Oft denke ich wird die Angst oder Unsicherheit vom Besi unbewusst auch unterstützt. Wenn man weiss das der Hund in einer solchen bevorstehenden Situation stark reagieren wird, verspannt man sich automatisch, nimmt die Leine kürzer oder die Schritte werden langsamer. Alles ein Alarmzeichen für den Hund das etwas nicht stimmt.

 
Ich habe jetzt eine Weile über das Thema nachgedacht - und mir ist ein Aspekt eingefallen, den man vielleicht nicht auslassen sollte: Der Halter muss sich selbst mit seinem Verhalten auseinander setzen und bewusst mit Angst- oder Stresssituationen umgehen lernen. Ich stelle immer wieder fest, was für einen grossen Effekt es auf Antixy hat, wenn ich mich selbst mit einer unangenehmen Situation ruhig auseinandersetze. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass gerade eine negative Erwartungshaltung beim Halter zum entsprechenden Verhalten beim Hund führt. Da kann Desinteresse vom Halter noch so hollywoodreif geschauspielert werden - ich vermute, dass der Hund die Ausschüttung von Stresshormonen, eine erhöhte oder abgeflachte Atemfrequenz oder Schweissproduktion sehr wohl wahrnimmt. Für mich ist es deswegen immer wichtig, mir ganz bewusst zu machen, warum mich eine Situation stresst und dann diesen Stress bei mir abzubauen. Bei mir ist das beste Beispiel wohl die Hundebegegnung: Seit ich mir selbst eingestanden habe, dass Anti einfach ein blöder Halbaffe ist und nicht mehr darauf hoffe, dass er einen Hund ohne Gehampel passieren lässt, ist auch er viel entspannter geworden und lässt sich viel besser ansprechen.

Dann erlebe ich bei vielen Haltern, dass sie solches Verhalten bei ihrem Hund fast als Charakterzug hinnehmen: "Mein Hund hat halt Angst vor... ". In vielen Fällen hatte ich nicht das Gefühl, dass an dem Problem gearbeitet wurde... es wurde einfach hingenommen und schien wie in Stein gemeisselt. Für mich sind gerade solche Verhaltensweisen spannend, weil ich daran gern mit meinen Hunden arbeite.

Ich selbst beobachte, wie meine Hunde auf verschiedenste Reize reagieren und versuche dann, entsprechend zu handeln. Nur in ganz wenigen Fällen reagiere ich mit Ignorieren (zB bei Schüssen), denn entweder erschrickt mich eine Situation selbst und dann darf ich das auch zeigen - weil ich danach möglichst souverän mit der Sache umgehe - oder ich habe das Wissen um die Ungefährlichkeit einer Sache und dann zeige ich das Antixy auch aktiv. Anti tendiert dazu, alles Suspekte zu erforschen. Am ehesten stressen ihn neue Dinge in bekannter Umgebung. Ixy reagiert entweder, indem sie versucht, einen Bogen um das Unding zu laufen oder - wenn sie davon mehr oder weniger überrascht wird - durch Kamm und Ankläffen, wenn sie das Gefühl hat, das Unding könnte gefährlich sein. Grundsätzlich ist sie Neuem gegenüber aber sehr offen und versucht, die laut-flatternde Folie eher zu fangen statt vor ihr auszubüchsen.

Am spannendsten war für mich in letzter Zeit die Feststellung, dass besonders Anti dabei war, eine Furcht vor Wetter zu etablieren. Begonnen hat alles bei einem Spaziergang, an dem wir tatsächlich von einem Unwetter überrascht wurden und ein Blitz so nah bei uns einschlug, dass Anti und ich tatsächlich Panik bekamen und flüchteten. In der folgenden Zeit wurde er sichtlich gestresst, wenn es draussen windig war und / oder regnete (wobei er das noch nie leiden konnte). Und obwohl er ein sehr selbstständiger Hund ist, habe ich durchaus gesehen, wie er in meiner Nähe blieb und mich beobachtete. Da es in den meisten Fällen so war, dass gut abschätzbar war, nicht wieder auf so ein Unwetter zu treffen, blieb ich ruhig und verhielt mich vollkommen normal - und maulte Anti auch mal an, wenn er sich "fehl"verhielt (zB indem er schnell wieder zum Auto / Haus zurück wollte und weit vor lief). Inzwischen sind wir wieder beim Status quo ante, worüber ich sehr froh bin.

Ich habe ehrlich gesagt noch nie versucht, über Unsicherheit, Vorsicht, Erschrecken und Angst hinaus zu definieren... allerdings wüsste ich auch nicht, dass meine Hunde vor irgendetwas Panik hätten oder phobisch wären. Unsicherheit kann man abbauen, Vorsicht ist mir in einem gesunden Ausmass lieb und Angst kann imo auch mal begründet sein. Ich erschrecke mich schliesslich auch - wichtig ist doch nur, dass ich nicht kopflos aus der Küche renne und erst nach Kilometern erschöpft zusammenbreche, nur weil ein Topfdeckel runtergefallen ist. ;)

 
Ich muss das ganze etwa auseinanderpflücken und nehme dabei die verstorbene Familenhündin Nala und Jade als Beispiele.


Beide Hunde reagier(t)en auf bestimmte Geräusche. Be Nala warens Schüsse, Knaller, Gewitter, sehr laute Geräusche etc. bei Jade ists nur das Wetter (Gewitter/Donner und Wind, inkl. klappernde Geräusche oder zuknallende Türen/Fenster. Wenn ich was zuschlage, keine Regung...) Nala war so dass sie sehr aufmüpfig wurde. Sie sass vor mich hin und schlotterte und jammerte vor sich hin. Ignorierte man das Verhalten, steigerte sie sich total in die Situation hinein und wurde immer aufgeregter. Am meisten half es ihr wenn man ihr mit ruhiger Stimme (nicht tröstend) zuredete a la "isch alls ok" und ihr mit Hand auflegen Sicherheit vermittelte. Brauchte aber ein hohes Mass an Selbstbeherrschung denn regte man sich selbst über die knallerei auf, nützte auch das nichts. Musste mir schon bei ihr eine Gleichgültigkeit antrainieren, was sehr schwierig ist.
Jade ist so dass sie sich einfach verzieht und hin und wieder ihr Versteck wechselt. Ihr hilft man am besten wenn man sie einfach sein lässt und so tut als wäre nix besonderes und das Leben lebt wie immer. So verbrachte sie auch mal die halbe Nacht bei strömendem Regen im Gebüsch und kam mit unzähligen Nacktschnecken im Fell wieder rein :ugly: so ist der Mitleidsfaktor natürlich immens hoch aber jegliche Aufmerksamkeit regt sie nur noch mehr auf. Ich muss ihr da wirklich die Wahl lassen denn es macht sie fast irre wenn man sie gegen ihren Willen im Haus oder in einem Raum halten möchte.

Was bei Geräuschempfindlichkeit noch dazukommt, erst recht wenn diese plötzlich auftritt, sollte man den Allgemeinzustand des Hundes betrachten denn Stress (egal welche Art von Stress) kann eine Geräuschempfindlichkeit hervorrufen und vielleicht kann man mit kleinen Veränderungen im Alltag oder bei Verdacht auf Schmerzen mit einem Gang zum TA das alles aufheben. Wäre auch empfehlenswert bei jedem Hund mal genauer hinzuschauen und nicht nur das Symptom zu bekämpfen.

Unsicherheit bei Gegenständen regle ich so dass ich keinen Focus drauf lege und den Hunden die Möglichkeit gebe sich damit auseinanderzusetzen, sie aber nicht dazu dränge hinzugehen. Können sie sich von sich aus nicht lösen geh ich hin, guck mir den Gegenstand an und berühre ihn, damit ich dann den Geruch vom Gegenstand zum Hund bringen kann. i.d.R. löst sich dann die Unsicherheit auf. Muss aber sagen dass das bei den beiden grossen sehr sehr selten der Fall ist. Nala mochte keine Frauen die Kopftücher tragen, Jade finder Männer in Uniform doof. Da kann ich logisch schlecht hingehen und diese betatschen. Hier ist Bogen laufen angesagt. Wenns nicht geht, riskiert man hald eine nicht so angepasste Reaktion oder aber, bei Personen die offensichtlich Angst vor Hunden haben oder Polizisten, locke ich dran vorbei. Locken ist zwar meiner Meinung nach ein No-Go, mache es aber da aus Imagegründen da die Hunde ja schon einen versauten Ruf haben und ich dies nicht mit negativ auffallen fördern möchte -.-

Bei Unsicherheiten auf versch. Untergründen (hauptsächlich Gitterrost-Treppen oder Brücken)muss ich den Hund ber seine Grenzen hinausgehen lassen. Hier lass ich ihm aber die Wahl wann er gehen möchte. Dazu leine ich ab und lauf voraus. Wenn das nix nützt, rufe ich motivierend. Kann ich aus welchen Gründen auch immer nicht ableinen, nehme ich mir die Zeit und warte ab, ob der Hund nicht doch von sich aus drüber geht. Wird nix draus, muss ich klar und bestimment sein und nehm den Hund einfach mit. Schleppe ihn da aber nciht einfach an der Leine nach, sondern halte ihn am HB oder Geschirr und führe ihn durch. auch hier ist es vonVorteil wenn man selbst ruhig bleibt und sich ganz klar in den Kopf gesetzt hat "und du gehst jetzt da durch!"

 
ich denke auch so fabienne... handhabe es auch ungefähr so...
roxy reagiert stark auf geräusche oder brücken und verschiedene untergründe...
bei schüssen oder feuerwerk ist es besser geworden, wenn dann wird sie stinkesauer und zeigt das mit knurren und bellen...

 
Ich bin auch der gleichen Meinung wie Frau_D. Viele Ängste und Unsicherheiten sind Hausgemacht und liegt am Besi. Ich sehe tagtäglich in der Klinik solche Beispiele. Der Besi ist von Anfang an der Meinung der Hund hat Angst vom TA und ist selber nervös, na dann ist es kein Kunstûck kann man das Tier nicht untersuchen. Meistens schicken wir dann die Leute raus und o Wunder es klappt. Man muss wircklich auch an sich selber arbeiten, denn wie schon gesagt, Schauspieler durchschauen sie sofort.

Sent from my iPhone using HaustierTalk

 
Vielen Dank für eure Antworten und tollen Beispiele. Ich selber hatte mit Sandro ja selbst auch einen Hund mit ganz vielen Ängsten, den ich mit 7 ½ Jahren aus dem Tierheim adoptiert habe (Liebe auf den ersten Blick, wenn auch völlig ungeplant :love: )

Diese Ängste hatten sich weniger im Alltag gezeigt, denn da war er ein völlig unbefangener Hund, egal ob Zuhause, auf dem Spazi in der Stadt, Auto, Tram oder sonst irgendwo.

Das erste Mal gemerkt, dass er Angst hat, hatte ich, als ich einen Stein ins Wasser werfen wollte und Sandro einen riesen Satz ans Ende der Leine machte. Nach und nach kam dann auch noch manch andere Angst zum Vorschein (wie laute Geräusche, schreiende Kinder, flatternde Bänder, bellende Hunde, Berührungen mit dem Fuss, Einengung oder auch ein schneller Griff ins Halsband - da habe ich das erste Mal ein Tier in Todesangst schreien hören).

Und weil er am Anfang anscheinend auch Angst vor grösseren Gruppen von Hunden hatte, ist er der Hundesitterin 2 mal im Wald weggerannt. Das erste Mal (da war er noch nicht lange bei uns), rannte er gut 4 Kilometer und wurde von der Polizei in einem Restaurant mitten in Basel aufgegriffen. Das 2. Mal lief er dann GsD zu uns nach Hause - und das war dann auch der letzte Spaziergang mit dieser Sitterin L

Die flatternden Bänder und das Werfen von Gegenständen bekamen wir ziemlich schnell in den Griff (nicht lange und er liebte das Apportieren von allem Möglichen). Auch schreiende Kinder und bellende Hunde waren mit der Zeit kein Thema mehr und ich konnte mit Sandro dann auch oft bei Trainings helfen, bei denen es um Unsicherheiten oder Leinenagression von anderen Hunden ging oder mit ihm an Hundespaziergänge teilnehmen. Nur beim Halsband hat er bis zum Schluss reagiert, wenn er glaubte, dass ihm jemand ausserhalb der Familie Richtung Halsband greifen wollte – dies aber GsD nur noch Zuhause. Deshalb hatte er bei Besuch immer einen Maulkorb auf und das Interessante war, dass er damit viel besser entspannen konnte als ohne.

Ebenso hat er schnell begriffen, dass Zweibeiner, was das Fallenlassen von Gegenständen angeht, ziemlich tappig sein können und dass sie teilweise auch ganz komische Bewegungen machen.

Der Supergau aber kam, als wir ca. drei Monate nach seinem Einzug den ersten gemeinsamen Silvester erlebten und wir dummerweise gerade draussen waren und irgendwo ein verfrühter Knaller losging. Danach wollte Sandro während gut 2 Wochen kaum mehr aus dem Haus. Da war mir klar, dass ich das so nicht anstehen lassen wollte. Weil ich aber in der Hundeschule nur ausgelacht wurde, dass ich bei einem 8 jährigen Hund überhaupt daran dachte, was zu machen, habe ich mich Internet zu diesem Thema schlau gemacht.

Viele Infos dazu fand man im 2005 dazu ja leider noch nicht – auch keine entsprechenden Bücher. Aber immerhin stiess ich auf das Thema „Tellington Touches“ und habe begonnen, mich damit auseinander zu setzen und bei Sandro anzuwenden. Gleichzeitig begann ich mit einer Geräusche-Desensibilisierung und habe mir dazu eine entsprechende Geräusche-CD erstellt. Heute gibt es ja GsD viele tolle Bücher zu diesem Thema, aber auch diese sehr informative Seite, wo man auch Unterstützung bekommen kann: www.angsthund.de oder auch Angst - ALL ABOUT DOGS WEB

Am 1. August kam dann die Generalprobe - und tatsächlich haben Sandro und ich es geschafft, dass er nach einer Stunde Tellington Touches und Streichelmassagen trotz der Knaller ganz entspannt in seinem Korb einschlafen und bis zum nächsten Morgen durchschlafen konnte. Ein halbes Jahr später reagierte er auch draussen kaum mehr auf Gewitter, Feuerwerk und Fehlzündungen von Autos und wir konnten gut 2 Jahre praktisch angstfrei zusammen geniessen. Ich denke, dass er viele dieser Ängste nicht von Anfang an hatte, sondern im Laufe seines Lebens erworben hat, da er vom Grundcharakter her kein unsicherer oder ängstlicher Hund war.

Den Clicker kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber im Nachhinein habe ich gemerkt, dass ich ganz Vieles nach dem Prinzip des Clickerns gemacht habe, halt einfach noch ohne Clicker. Irgendwann kam dann auch der erste Clicker zum Einsatz und Sandro trat den Rückzug an. Aber irgendwann hatten wir auch diese Hürde genommen J

Ein paar Monate vor seinem Tod kamen viele seiner Ängste leider wieder zurück (einerseits begünstigt, durch eine Schilddrüsen-Unterfunktion, aber auch, dass er von einem anderen Hund völlig überraschend massiv angegriffen wurde - gemäss einer TK hat ihn das an einen Vorfall in seiner Welpen-Zeit zurück erinnert. Ob's stimmt oder ob es auch einfach damit zusammengehangen hat, dass er danach körperlich ziemlich schnell abbaute...?) Das einzig Gute war, dass er zumindest durch den Verlust seines Gehörs nicht noch einmal eine Geräuschangst entwickelt hat. Mit dem jetzigen Wissen, würde ich heute versuchen, ihm medikamentös gegen seine „Altersängste“ helfen zu lassen (Homöopathisch konnten wir ihm leider kaum mehr helfen)

Ich bin froh, dass ich Sandro in diesen 4 Jahren begleiten durfte. Er hat mich in dieser Zeit viel über Ängste, Unsicherheiten und Panik gelehrt. Aber auch, wie man diese überwinden kann oder zumindest besser damit umgehen kann, so dass sie nicht mehr das ganze Leben beeinflussen. Hier habe ich über die Jahre bei uns und den Weg aus der Angst ausführlicher beschrieben: Sandro - unser vierbeiniger Freund

Moni