Bitten eines Führhundes

Hundhilde

Benutzer
23. Sep. 2010
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Bitten eines Führhundes



1. Bitte, streichelt und lockt mich nicht, wenn ich mein Geschirr trage!
Meine Arbeit erfordert viel Konzentration und jede Ablenkung könnte meinen
blinden Freund gefährden.

2. Bitte, fragt meinen blinden Partner, ob und wie ihr helfen könnt!
Spontanes Anfassen oder Festhalten am Führgeschirr machen mich und meinen Begleiter unsicher. Ihr könnt gerne eure Hilfe anbieten, aber seid nicht beleidigt, wenn Herrchen oder Frauchen ablehnen. Wir sind sehr selbständig.

3. Bitte, sagt meinem Herrchen oder Frauchen, welche Busse einfahren oder
wann die Ampel auf "grün" steht! Ich bin zwar sehr intelligent, aber lesen oder Ampeln richtig deuten kann ich nicht.

4. Bitte, haltet euch an die Verkehrsvorschriften!
Zugeparkte oder mit Fahrzeugen verstellte Gehwege zwingen mich auf die Straße auszuweichen, wo es sehr gefährlich werden kann.

5. Bitte, erlaubt mir den Zutritt zu Lebensmittelgeschäften!
Das Gesetz ist zwar auf meiner Seite, aber dennoch schimpfen immer noch Leute über mich in den Geschäften. Ihr lasst eure Augen ja auch nicht vor dem Geschäft.

6. Bitte, erschreckt mich nicht mit Knallkörpern und dergleichen!
Ihr gefährdet damit meine Diensttauglichkeit und mein blinder Partner verliert einen verlässlichen Führer.

7. Bitte, haltet eure Hunde zurück und umgeht uns zügig!
Ich darf im Dienst nicht schnuppern und spielen.
Doch in meiner (übrigens reichlich bemessenen) Freizeit bin ich jederzeit für eine wilde Rennerei zu haben.

8. Bitte, füttert mich nicht!
Ich bin dazu erzogen worden, von Fremden nichts anzunehmen. Jeder Versuch von eurer Seite untergräbt diesen Gehorsam und mein blinder Partner wird dann zu Recht sehr ungehalten.

9. Bitte, verzichtet darauf, jegliche gefährliche Dinge (!) auszulegen oder Glasscherben einfach liegen zu lassen bzw. informiert meinen blinden Partner über derartige Gefahrenquellen! Er erkennt nicht, womit meine Pfoten in Berührung kommen bzw. was ich im Freilauf aufnehme. Eure Achtlosigkeit bezahle ich mit längerem oder dauerhaftem Dienstausfall, schlimmstenfalls sogar mit meinem Leben!

Falls ihr Fragen über mich, meine Ausbildung und unsere Arbeit habt, so scheut euch nicht, meinen Partner offen anzusprechen.

 
Da fällt mir grad was dazu ein, was mich vor ein paar Monaten ziemlich erstaunt und auch erschreckt hat; ich bin mit Glika im Zug zu nach Chur gefahren. Wir mussten öfters umsteigen. Am einen Bahnhof standen wir fast zuforderst in der Menschenschlange auf dem Bahnsteig, als die Türen vom soeben eingefahrenen Zug sich öffneten. Dabei sah ich, dass eine blinde /sehbehinderte Frau mit Führhund im Zug war, die aussteigen würde. Damit die beiden problemlos an mir und meinem Vierbeiner vorbei kommen, bin ich mit Glika ziemlich weit von der Tür schön zur Seite gestanden. Der Führund hatte Glika allerdings bereits gesehen und fixierte sie. Dann ging alles blitzschnell; die Türen des Zuges öffneten sich, der Hund kam wie eine Rakete bellend aus dem Zug geschossen und hat sein Frauchen dabei fast von den Füssen geholt. Sie versuchte, ihren Hund zurecht zu weisen, dieser hatte aber null Gehör dafür. Er schoss erneut ziemlich aggressiv bellend auf uns zu. Ich hatte mich in der Zwischenzeit zwischen die beiden Hunde gestellt und gab dem "Angreifer" ziemlich deutlich zu verstehen, dass er abzischen soll. Nach mehreren Schritten Entfernung drehte er sich nochmals um und bellte hinter uns her.
Ich habe mich dann sofort gefragt, ob ich irgendetwas falsch gemacht hatte...kann aber bisher keinen Fehler meinerseits erkennen. Was ist da wohl schiefgelaufen? Ich habe Führhunde bisher immer als sehr zuverlässig und konzentriert bei der Arbeit erlebt (vorausgesetzt, man lässt sie in Ruhe arbeiten). Dieser Kandidat schien seinen Job aber gar nicht zu mögen bzw. ernst zu nehmen. :rolleyes:

 
@minimum: Dazu habe ich folgendes gelesen:

"Wird der Blindenführhund nach seiner Ausbildung jedoch nicht weiter gefördert, ergeben sich - insbesondere bei der Führarbeit - über Kurz oder Lang unerwünschte [im schlimmsten Fall sogar gefährliche] Verhaltensweisen."

Ich glaube nicht das Du was falsch gemacht hast. Im gegenteil... ;)

 
hallo

führhunde sind schlussendlich auch nur hunde und wie geschrieben können auch gut geübte fähigkeiten wieder verloren gehen.

die guten führhundeschulen, betreuen ihre ausgebildeten hunde jedoch weiter und nehmen in solchen fällen den hund auch wieder zurück um ihn erneut zu trainieren oder umzuplatzieren.

es gibt tausend möglichkeiten, warum der führhund so reagiert hat. fact ist, dass wenn dies nicht einmalig war, er sicher nicht mehr lange führen darf.


ich muss sagen, dass ich nur gute erfahrungen gemacht habe. wenn Jill ihre kenndecke trägt (Behindertenbegleithund), sind alle leute sehr zuvorkommend, nett und versuchen nicht sie anzufassen oder gar zu füttern :)
(was eigentlich auch bei einem "zivilen" hund nicht angebracht ist ohne zu fragen)

 
mir persönlich tun die blindenführhunde leid. die können doch nicht richtig hund sein. müssen immer irgendwas machen und sich zurückhalten. können sich nicht ausleben.

 
Original von mechelaar

mir persönlich tun die blindenführhunde leid. die können doch nicht richtig hund sein. müssen immer irgendwas machen und sich zurückhalten. können sich nicht ausleben.
^
also auch der beste blindenführhund führt nicht stundenlang. :)

und sobald der hund das führgeschirr nicht trägt, darf er ganz normal spielen, toben und schnuffeln.

ich kenne mehrere blindenführhunde, die treffe ich beim spazieren als ausgeglichene, zufriedene, zivile hunde, die mit meiner hündin kontakt aufnehmen und laufen dürfen :)

ich glaube nicht dass es für den hund einen unterschied macht, ob er eine stunde führt, oder eine stunde lang hundesport oder dogdancing oder dergleichen macht.

im gegenteil.. diese hunde werden wenigstens regelmässig gefordert.

meine hündin ist zwar keine führhündin, aber sie liebt ihre "tasks".

und es macht ihr auch nichts aus sich in restaurant, ÖV oder so ruhig zu verhalten.. alles gewöhnungssache.

 
@mechelaar
Ein Führhund muss Dir nicht leid tun =)
Wenn ein "normaler" Hund Hundesport oder Hundeschule hat, muss er ja auch für eine gewisse Zeit gehorchen bzw. arbeiten und darf nicht machen was er will.
Genauso ist dies auch bei den Führhunden. Sie arbeiten/führen in der Regel auch nicht mehr als eine Stunde am Stück. Sobald das Führgeschirr ausgezogen ist, darf er ganz Hund sein.
Auch Führhunde brauchen und bekommen ihre täglichen Freilauf-Spaziergänge, dies wird mit den sehbehinderten Haltern bei der Einführung geübt und auch geschaut, wo dies am Besten und ungefährlich möglich ist.
Auch Aiko lernt diese Unterscheidung in Arbeitszeit und "Hund sein"-Zeit schon jetzt. Sobald er sein Trainingsführgeschirr trägt, ist schnüffeln, versäubern und mit anderen schäckern tabu. Ist das Trainigsgeschirr wieder weg, gehts frisch und fröhlich mit Hund sein weiter =).

@hundhilde
Merci fürs Einstellen der Verhaltensrichtlinien im Umgang mit Führgespannen =)
Leider wissen noch lange nicht alle HH wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen. Muss ich auch immer wieder merken, wenn ich mit Aiko im Training unterwegs bin.

@minimum
Du hast Dich vorbildlich verhalten =) =)
und wie Wunderkind sagt, ist auch ein Führhund keine Maschine und selten perfekt.

 
Ich habe mal einen Blindenführhund erlebt, der Fleisch von einem Grillplatz geklaut hat :D (er wurde vom Frauchen aus dem Führgeschirr entlassen und schwups, rannte er hin und klaute das Fleisch..... cleverer Bursche!)

Ja, Führhunde sind halt eben auch Hunde, mit Ecken und Kanten!