Ihr diskutiert schon echt auf hohem Niveau, Respekt!
Ich kenne diese Möglicheit, arbeite auch damit belasse es aber nicht nur bei DIESEM Ansatz sondern kombiniere mehrere Möglichkeiten.
Habe ich einen Hund, der zum Beispiel bei Hundesichtung total hoch dreht und Tendenzen zeigt den Angriff zu wählen, dann ist die Gegenkonditionierung ein super wichtiger Schritt. Es ist natürlich auch möglich, dem Hund ein Alternativverhalten bei zu bringen, wie zum Beispiel mich ansehen oder den Ball oder das Guddeli und den ankommenden Hund zu ignorieren, das hilft meinem Hund aber nicht, sich mit der Situation auseinander zu setzen. Der findet dann den anderen Hund immer noch doof, lernt nur, dass er erfolgreich ausgeblendet werden kann. Problematisch wird es immer dann, wenn der andere Hund auf einmal so nah ist, und das von meinem gar nicht wahrgenommen werden konnte. Der war ja voll auf mich fixiert... Dann ist die Gefahr auf einmal ganz nah und mein Hund explodiert.
Verknüpfe ich den Anblick anderer Hunde mit positiven Aktionen welcher Art auch immer, kann die Emotion geändert werden. Der doofe Hund ist irgendwann gar nicht mehr so doof und so kann mein Hund sich anderen Aktionen zuwenden, weil die Gefahr gar keine Gefahr mehr ist.
Aggressionsverhalten kann schon belohnt werden, aber nicht mit Leckerlis. Aggressionsverhalten wird immer dann belohnt, wenn es funktioniert hat, das Ziel dieses Verhaltens also erreicht wurde. Ein Hund, der in die Leine steigt um einem Artgenossen zu sagen, dass er sich gefälligst verp... soll, wird dadurch belohnt, dass der Artgenosse von seinem Halter weg gezerrt wird oder sogar selbst einen Bogen läuft.
Ein Leckerli für so ein Verhalten zu bekommen wirkt in der Regel nicht belohnend, denn das ist ja gar nicht das momentare Ziel des Hundes! Gleiches gilt für die Ankündigung eines Leckerchens, denn der Hund hat mit seinem Verhalten ja nicht das Ziel ein Leckerchen zu bekommen.
Ein praktisches Beispiel:
Ich war zu meinen Anfängen mal bei einer Dame, deren Hund großen Stress hatte wenn fremde Personen kamen. Es war ein großer Schäfermischling und er regte sich bereits auf, wenn er nur ein Auto hörte das in die Einfahrt fuhr. Ich wollte dem Hund gerne den Stress nehmen, die Halterin wollte aber nicht, dass er aufhört sich dermaßen aufzuregen, denn sie fühlte sich damit sicherer.
Wenn es klingelte, lehnte sie sich durch das Küchenfenster um zu sehen wer vor der Türe ist, ihr Hund stand dann laut bellend und heftig gestresst neben ihr, so dass man im Grunde sowieso kaum etwas verstand. Die Halterin wollte daran nichts ändern.
So einigten wir uns darauf, dass wir ihn wenigstens mit Futter für dieses Verhalten gebührend belohnen, um ihm zumindest den Stress zu nehmen. Wir packten einen guten Schinken aus und ließen jemanden klingeln. Wie immer regte sich der Hund auf und er keifte durch das Küchenfenster. Kaum hatte er das gemacht, bekam er von der Halterin ein Stück Schinken.
Wir wiederholten diese Situation mit noch zwei Mal mit unterschiedlichen Personen und ausreichenden Pausen um den armen Hund nicht zu sehr zu stressen...
Beim dritten Mal rannte der Hund zum Schinken und wartete auf sein Futter! Als die Halterin wie immer das Fenster öffnete, musste er fast gelockt werden, dass er sich auf die Anrichte stellt um aus dem Fenster zu sehen. Den Fremden draußen schenkte er allerdings kaum noch Beachtung, er wollte nur die Belohnung.
Seine Erwartungshaltung hatte sich geändert.
Zugegeben, das Ziel der Halterin wurde nicht erreicht, aber der Hund hatte weniger Stress und fühlte sich besser. Die Halterin war dann am Ende auch damit einverstanden, dass er wenigstens noch neben ihr aus dem Fenster guckt, das ist ja auch Respekt einflößend.
Nun zu der Frage mit dem Klick.
Es ist schon richtig, dass das Klick-Signal natürlich auch umkonditioniert werden kann, wenn ich es immer nutzte, wenn mein Hund sich in einer angespannten Situation befindet. Das passiert aber nur, wenn die Gewichtung sehr stark verändert wird. Wenn also der Hund über lange Zeit nur in positiv gestimmten Situationen geklickt wurde, und dann das gleiche Signal über einige Tage NUR noch genutzt wird, wenn der Hund gerade angespannt ist. Dann kann das Signal eine andere Bedeutung erhalten. Das funktioniert übrigens auch mit dem Geruch von Futter! Es gibt Hunde, die bekamen Lebewurstpastete nur in Situationen, in denen sie sich gestresst fühlten vor die Nase gesetzt, als ultimative Möglichkeit etwas positives anbieten zu können. Die Hunde waren aber nicht in der Lage dies anzunehmen und reagierten nach einer Weile auch in entspannten Situationen auf das Angebot der leckeren Pastete mit Meideverhalten und Anspannung.
Wenn ich aber Futterbelohnungen und Klicksignale größtenteils für positive Aktionen nutze, und dann zweimal die Woche in einer Situation füttere oder klickere wo mein Hund Anspannung oder Aggressionsverhalten zeigt, wird es nicht zu einer Umkonditionierung kommen.
Warum klick und nicht einfach Bratwurst vor die Nase?
Wenn mein Hund gerade direkt neben mir ist, kann ich natürlich auch die Bratwurst vor die Nase halten oder ihn einfach so damit belohnen. Da wäre das Klick nicht unbedingt notwendig. Weite ich die Situationen allerdings aus, biete ich meinem Hund mehr Raum um sich entscheiden zu können, kann der Klick helfen die Entscheidung gewünscht zu beeinflussen. Zugegeben, wenn mein Hund bereits in der Leine hängt und randaliert, klicke ich auch nicht mehr (ich klicke mit Zungenschnalzen), denn ich nehme stark an, dass das kaum noch bei ihm ankommt und in der Situation habe ich dann anderes zu tun. Aber JEGLICHE Sequenzen, in denen er Drohsignale zeigt, kann ich anklicken, denn DROHEN bedeutet, dass mein Hund noch zu kommunizieren versucht und noch dabei ist eine Entscheidung zu fällen. Mit dem konditionierten Klicksignal kann ich seine Emotionen so beeinflussen, dass die Notwendigkeit für einen Angriff sinkt, weil die Situation nicht mehr als dermaßen gefährlich eingestuft wird. Dieses Verhalten durch die Änderung von Emotionen dermaßen zu beeinflussen gelingt mit dem Schinken vor der Nase nicht so optimal. Mit dem Schinken vor der Nase kann ich meinen Hund möglicherweise aus der Situation raus holen, ihn umlenken, aber nicht seine eigene Entscheidungsfindung positiv beeinflussen.
Wenn ich mit Ragnarson auf Hunde treffe und er Kontakt aufnehmen darf, dann klicke ich IN der Situation, wenn die Hunde sich beschnuppern, um Ragnarsons Anspannung raus zu nehmen. Es hilft nicht immer, schließlich spielt ja auch die Antwort des anderen Hundes eine große Rolle, aber oftmals kann ich bemerken, dass Ragnar sich auf das Klick einfach ein wenig zurück nimmt, nicht mehr ganz so sehr anspannt. Ähnlich funktioniert auch ein konditioniertes Entspannungssignal.
Grundsätzlich gehe ich nicht so langsam und vorsichtig vor, dass ich den Hunden jeglichen Stress zu nehmen versuche, also rein über Gegenkond. und Desensibilisierung arbeite, sondern setze später auch Grenzen.
Ich zeige Hunden viele lohnende Alternativen zu ihrem Verhalten auf, beeinflusse die Emotion mit Klick und Futter und stärke so die Zusammenarbeit mit dem Halter und das Selbstbewusstsein des Hundes. So sinkt die Notwendigkeit immer weiter, das aggressive Verhalten zu zeigen.
Wenn die Hunde damit schon weit gekommen sind, baue ich mit einem Abbruchsignal und körperlichen Einschränkungen auch Grenzen ein. Heißt, wenn sich der Hund dann trotz der Angebote an Alternativen und trotz positiv belegen von angespannten Situationen dazu entscheidet vor zu preschen, wird dieses Verhalten an der Leine verunmöglicht und vom Halter unfreundlich beantwortet.
Jegliche Entscheidung die in die gewünschte Richtung geht wird dagegen weiter bestärkt.
Nach und nach ist dann das Ziel, dass der Hund ohne große Einwirkung des Halters seine Entscheidung trifft. Um diese Entscheidungsfindung positiv zu beeinflussen ist aber der Klicker definitiv eine enorme Hilfe.
In der Hoffnung Euch mit meinem Text nicht gelangweilt zu haben, wünsche ich weiterhin viel Spaß beim Brainstormen
Grüße,
Katrin