Hallo Qualle1970
Danke für Deine PN! Ich hab in letzter Zeit ziemlich viel um die Ohren, deshalb meine späte Reaktion darauf. Sorry!
Ich bin ja auch in Deiner Region zu Hause. Daher "kenne" ich auch die eine oder andere HS und Trainer...
Herdis sind sehr emotionale Hunde, die auch schnell in eine erhöhte Erregunslage "kippen". Sie sind höchst sensibel, brauchen eine konsequente und respektvolle Erziehung, die ziemliches Engagement und einen gewissen Erfindungs- und Ideenreichtum des Besitzers (und Hundetrainers) abverlangt. Einen Herdi kann man schlecht zu etwas zwingen - man ist auf seine Zusammenarbeit angewiesen. Herdis generalisieren idR sehr schnell, sind schnell überfordert (was dann als "Sturheit" interpretiert wird), sind höchst soziale und emphatische Tiere. Schlussendlich sind es aber auch einfach nur Hunde. ;-)
Ich habe sehr häufig erlebt, dass ich auf gewisse Vorurteile gestossen bin: "Ach ein Herdi. Was willst denn DU mit so einem Hund? Der ist auf Selbstständigkeit gezüchtet. Willst Du dem wirklich was beibringen? Wenn er "Sitz" lernt ist das schon viel! Kannst Du dem wirklich gerecht werden? Hast Du Schafe zu Hause? Den musst Du unbedingt dominieren, sonst wird er der Chef! Blabla...". Da gehe ich immer auf Abstand. Wenn der Trainer nicht daran glaubt, dass man dem Hund überhaupt etwas gescheites beibringen kann, wie soll er mir dann zeigen, wie ich das tun soll?
Es sollte mit modernen Methoden nach Lerntheorie gearbeitet werden. Dabei ist besonders auf die Anwendung von körperlicher Strafe zu verzichten. Strafen kommen grundsätzlich nicht gut bei Herdis - so meine Erfahrungen. Wenn er die Strafe mit dem Halter verknüpft, ist dies dem Vertrauensverhältnis nicht gerade zuträglich = Hund wird selbständiger in seiner Entscheidungsfindung. Wenn der Hund die Strafe mit der Umwelt verknüpft - dann kann es gefährlich werden. Ein Hundetrainer meinte mal, meinen Hund "korrigieren" zu müssen. Er hat das mit dieser Person verknüpft, welche 6 Jahre später noch Abstand halten muss... Daher bin ich überzeugt, dass auch andere Strafen zBsp bei Fehlverhalten gegenüber Kindern heftig in die Hose gehen... Daher arbeite ich heute mit meinem Grossen ausschliesslich über die Verstärkung von erwünschtem Verhalten, Umorientierung, Alternativverhalten und gaaanz selten dem Abbruch über Frust (wobei man auch dabei "vorsichtig" sein muss (Frustrationstoleranz!)). Dabei verwende ich ganz häufig den Clicker und Futterbelohnung, womit ich meinem Grossen quasi alles beibringen kann...
Vorsichtig wäre ich mit selbsternannten "Herdenschutzhund -Experten". Ich habe hier in der Schweiz noch keinen getroffen, der mit modernen Methoden arbeitet. Zudem wird in "solchen Kreisen" die tatsächliche Lernbereitschaft und -fähigkeit eines Herdis häufig ziemlich unterschätzt. "Das ist ein Herdi, der kann nicht apportieren." Also wird gar nicht erst versucht, dem Hund was beizubringen oder eine Minimalleistung akzeptiert - was ich einfach schade finde. Es ist aber nun mal so, dass besonders Leute die einem Hund eigentlich im tiefsten Inneren gar nichts beibringen wollen, sich einen Herdi holen (Ausnahmen gibt es auch da, gell Andi
). Auch werden die Hunde oft falsch eingeschätzt und sehr schnell als "stur", "aggressiv" oder "dominant" abgestempelt.
Ich habe meine Hundeschule gefunden. Seit ein paar Jahren gebe ich dort auch selbst Kurse (natürlich mit der entsprechenden Aus- und Weiterbildung). Ich kann mich noch sehr gut an unsere erste Stunde erinnern: keine Vorurteile! Was geht, geht, was nicht geht - daran kann und soll man arbeiten! Und zwar exakt und ordentlich! Ich bin sehr froh, diesen Weg mit meinem Tschuwätschli eingeschlagen zu haben und konnte unheimlich viel von ihm lernen. Aber gab es auch ein paar Erfahrungen, auf die ich gerne verzichtet hätte...
Was ich in der Haltung eines Herdis als absolut wichtigstes erachte ist, den eigenen Hund richtig lesen und einschätzen zu lernen. Nicht ganz einfach, weil Herdis sehr fein kommunizieren. Für die Meisterung des Alltags ist es einfach unglaublich wichtig, dass man als Halter die Situation richtig einschätzt und entsprechend reagiert - möglichst bevor es der Hund tut ;-) . Wie ich in Eurer Vorstellung gelesen habe, werdet Ihr hier ziemlich gefordert werden. Denn was mir Sorgen machen würde ist nicht, dass Ihr Euch für einen Herdi entschieden habt, sondern das Eure Hündin scheinbar als Schutzhund für UT erklärt wurde. Heisst für mich, dass sie sehr wahrscheinlich ziemliche Defizite in der Sozialisierung unserer Lebensumstände haben wird, da sie sicherlich unter "Schutzbefohlenen" grossgezogen wurde. Interessant wäre, wieso sie sich nicht eignete, da die "Ausschlussgründe" teilweise nicht gerade für einen tollen Familienhund sprechen. Daher bin ich ehrlich gesagt auch eher dagegen, dass man diese Hunde als Familienhunde vermittelt... Heisst aber nicht, dass es bei Euch nicht gut heraus kommen muss!
Wenn Du mich und meine Hundis mal kennenlernen möchtest, melde Dich doch einfach. Ich würde mich über einen gemeinsamen Spaziergang freuen. Ich bin in Oberbipp zu Hause und gebe in Rothrist Hundeschule.
Sorry, wurde mal wieder etwas lang... Ich schreibe seltener - dafür länger :ugly:
Liebi Grüesslis u schöne Sunntig - Martina, s'Tschuwätschli u s'Mudimönschterli
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