Klartext Hund

andi+rudel

Erfahrener Benutzer
22. Nov. 2009
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Copyright by Thomas Riepe

Leckerchen - Sinnvolles Mittel der Hundeerziehung?

Ich weiß nicht genau warum das so ist, aber es gibt wohl kaum eine gesellschaftliche Gruppierung, eine Gemeinschaft mit gleichen Interessen oder wie immer man es nennen möchte, die dermaßen zerstritten ist wie die so genannte „Hundeszene“ in Mitteleuropa. Ein hochgradig interessantes gesellschaftliches Phänomen, mit dem ich mich in späteren Artikeln dieses Blogs noch näher beschäftigen möchte, weil ich denke, dass die Zerrissenheit und die Rechthaberei unter den Menschen, die einen Bezug zum Hund haben, letztlich sehr schädlich sind. Schädlich für Menschen, aber in erster Linie für die Hunde…

Hier möchte ich mich zunächst aber einem konkreten Beispiel dieser Streitigkeiten widmen. Den Leckerchen. Ich stelle vermehrt fest, dass Hundeexperten, Hundetrainer oder wie immer man Menschen auch nennen will, die mit Hunden und/oder deren Haltern arbeiten. Wie auch immer, nach meiner individuellen Wahrnehmung ist es im Moment „Mode“, eine Hundeerziehung über Leckerchen zu verteufeln. Genauso, wie es vor einigen Jahren praktisch als die einzige Möglichkeit der Hundeerzeihung genannt wurde, Hunde immer mit Nahrung vollzustopfen, wenn sie einmal etwas richtig gemacht haben. Beides halte ich für bedenklich - aus mehreren Gründen. Zunächst jedoch zu den „Leckerchengegnern“. Oft wird von diesen das Argument angebracht, dass ein Hund über Leckerchen nicht wirklich lernen könnte, sondern nur konditioniert würde und so ein Leckerli gesteuerter Roboter sei. Solche Aussagen von Hundetrainern, „Hundeexperten“ erstaunen mich in schönster Regelmäßigkeit. Man kann über viele Dinge diskutieren und eigene Interpretationen zu Sachverhalten äußern, aber das Konditionierung das Lernen verhindert, ist nach heutigen, allgemein anerkannten wissenschaftlichen Lerntheorien schon eine, sagen wir es vorsichtig, „merkwürdige Aussage“. Konditionierung ist nämlich ein elementarer Bestandteil des Lernens. Ich möchte hier nicht in die trockenen und wissenschaftlichen Definitionen von Lerntheorien, klassischer und operanter Konditionierung abgleiten. Ich stelle es mal ganz verständlich dar. Wenn ich etwas mache, wenn ich eine Handlung ausführe, folgt dieser eine Konsequenz. Wenn ich den Zündschlüssel meines Fahrzeugs herumdrehe, springt das Auto an. Wenn ich freundlich zu einem Menschen bin, ist dieser auch freundlich. Das Wissen um die der Handlung folgenden Konsequenz nennt man auch operante Konditionierung. Das Lernen, dass mein Auto anspringt, wenn ich den Schlüssel drehe, ist nichts weiter als Konditionierung. Wenn einem Hund beigebracht wird, wenn er sich bei einem bestimmten Wort setzt und darauf ein Leckerchen folgt, ist natürlich Konditionierung – aber eben genauso „Lernen“. Konditionierung ist also nicht etwa das Gegenteil von Lernen, sondern ein wirklich elementarer Bestandteil des Lernens. Und wenn ich einem Hund ein Verhalten, welches ich von ihm wünsche, über Nahrung beibringe, ist das nur Eines: Lernen über Konditionierung. Der Hund weiß, was ich von ihm erwarte, er versteht, was ich von ihm möchte. Konditionierung ist Lernen – nicht mehr und nicht weniger. Ganz gut und verständlich erläutert ist das z. B. hier: http://psychologie-news.stangl.eu/99/konditionierung

Wenn also ein Hundeexperte die Konditionierung über Leckerchen verflucht und als Gegenteil von Lernen beschimpft, sollte man gewarnt sein. Entweder fehlt diesem Experten eine ganze Menge an Wissen, oder er nutzt diese Aussagen bewusst manipulierend, um sich und seine Methoden zu rechtfertigen oder eine Einzigartigkeit zu suggerieren. So kann ich mich an den Vortrag eines bekannten deutschen Hundetrainers auf einer Hundemesse in Münster, am 26.1.2011 erinnern. Dieser Trainer behauptete wirklich, dass Lernen über Leckerchen nichts mit Lernen zu tun hätte, sondern nur Konditionierung wäre. Erschreckend, wenn man so etwas von einem Hundetrainer hört, der sehr viele Menschen erreicht…

Also, es ist nach meiner Meinung und nach lerntheoretischen Gesichtspunkten sicher nicht verwerflich, einen Hund mit Leckerchen, über Nahrung, auszubilden. Damit er versteht, damit er lernt, was ich von ihm möchte. Allerdings sollte das nicht so weit führen, dass ich den Hund ein Leben lang für jeden richtigen Schritt mit Leckerchen vollstopfe. Eine positive Konsequenz für eine Handlung, die erlernt werden soll, die erwünscht ist, kann auch anders aussehen. Es kann ein freundliches Wort sein, ein streicheln, ein Spiel etc. Ganz normal so, wie in einer sozialen Beziehung, wie in einem sozialen Umfeld gelernt wird. Lernen, Konditionierung dadurch, dass das erwünschte Verhalten positive soziale Konsequenzen hat. Das sollte in meinen Augen eine gesunde Mischung sein. Mich befremdet es ehrlich gesagt, wenn heute immer nur eine Möglichkeit der Hundeausbildung, des Lernens, als richtig oder falsch angesehen wird. Schwarz und weiß, gut und böse, Hundetrainer A gegen Hundetrainer B. Kann es sein, dass Hundeerzeihung heute viel weniger mit Hunden zu tun hat, als vielmehr mit Problemen der menschlichen Gesellschaft? Mir scheint es manchmal so…

Wir sollten vielleicht weg von den persönlichen Eitelkeiten in der Hundeszene, hin zu einem Miteinander und Austausch in Interesse der Hunde. In meinem naiven Glauben, dass doch allen Hundeexperten das Wohl der Hunde am Herzen liegt.

Hundeexperten, die einen gewissen moralischen Standard verlassen, kann ich persönlich da natürlich nicht mit einbeziehen. Alle, die mit jeglicher Form von Gewalt, Würge –und/oder Stachelhalsbändern etc. arbeiten, fallen bei mir durch das Raster. Alle anderen sollten endlich lernen, weniger die Gegensätze zu suchen, als vielmehr die Gemeinsamkeiten. Denn eines haben wir ja sicher gemeinsam. Die Zuneigung zu den Hunden…

Bei Interesse: Alle Beiträge zu lesen unter:

http://klartexthund.blogspot.com/

 
Der Hundeflüsterer – Empfehlenswert oder Aggressiv? Teil 2
Beim ersten Teil der „KLARTEXT Hund“ Serie über aggressive „Hundeflüsterer“ habe ich mich mit einem Fall beschäftigt, wo das Verhalten eines Hundes, welches sehr wahrscheinlich von seinen Besitzern verursacht wurde, durch Unterdrückung und Gewalteinwirkung geändert wurde. Eine Behandlung, die Verhaltensbiologisch sehr fragwürdig ist, weil diese Art der „Verhaltenskorrektur“ für einen gewissen Zeitraum das vom Menschen „gewünschte Verhalten“ beim Hund zeigt. Aufgrund Neuropsychologischer Vorgänge im Hundegehirn kann aufgrund einer solchen Behandlung allerdings eine starke aggressive Explosion eines Hundes folgen, der derart unsachlich und gewaltsam „erzogen“ wurde. Es hat schon seinen Grund, dass der deutsche Schäferhund die meisten Beißstatistiken anführt – nicht weil er eine „gefährliche“ Rasse ist. Nein, leider wird diese Hunderasse sehr oft mit Gewalt ausgebildet, was dann zu den beschriebenen Explosionen führen kann… Auf jeden Fall habe ich bereits im ersten Teil darauf hingewiesen, dass die Methoden der Verhaltenskorrektur des Pit Bull Terrier ohne Berücksichtigung der Gründe für das Verhalten und anscheinend auch ohne genaues Wissen über die Körpersprache und das Ausdrucksverhalten eines Hundes geschieht. Es ist wirklich erschreckend, wie der „Hundeflüsterer“ gewaltsam selbstgeschaffene Probleme mit Gewalt ausbügelt, ohne letztlich die möglichen Ursachen, aber auch Konsequenzen zu kennen und einschätzen zu können.

Vergesellschaftung von Hund und Katze

Noch schlimmer ist der im folgenden Videodokument belegte Fall eines Hundes, der mit einem Elektroreizgerät malträtiert wird, um mit einer Katze vergesellschaftet zu werden. Der „Hundeflüsterer“ trägt versteckt in seiner Hand das Auslösegerät und verpasst dem Hund sehr häufig Elektroschocks – oft auch komplett ohne Zusammenhang oder eines direkt in Richtung der Katze gerichtetem Verhalten des Hundes. Millan möchte den Hund anscheinend einschüchtern und verunsichern, was ihm auch gelingt. Immer wenn er das Elektroschockgerät betätigt, stößt er einen idiotischen „Schschsch-Laut“ aus. So möchte er dem Zuschauer vermitteln, dass allein er als Person mit seiner Lautgebung den Hund beeinflusst. Dass gleichzeitig mit dem Zischen ein schmerzhafter Stromschlag beim Hund ankommt, wird dem Zuschauer verheimlicht. Nun gut – oder besser schlecht. Der Hund wird jetzt mit der Katze vergesellschaftet, indem der „Hundeflüsterer“ dem Hund negative Erfahrungen beschert, wenn dieser auch nur in Richtung Katze schaut. Trauriges, ja fast schon perverses Ergebnis dieser Tortour für den Hund ist, dass er am Ende des Videos panische Angst vor der Katze hat – er ein sehr hohes Stresslevel erreicht. Um das zu sehen braucht man nicht einmal ein „Experte“ zu sein – jeder halbwegs normale Mensch kann die Panik des Hundes beim Anblick der Katze förmlich greifen. Der Hund möchte nur irgendwie weg, weg von dem Ort, weg von der Katze, weg von dem Hundeflüsterer – der das ja alles angeblich mit Zischerei erreicht hat…

Qual für Hund und Katze

Vergessen sollte man an dieser Stelle auch die Katze nicht. Dieses „Training“ ist natürlich auch für die Katze beängstigend, weil die Konfrontation mit dem Hund, und keine Möglichkeit zur Flucht, auch bei ihr psychologische Traumata hervorrufen kann.
Aber schlimmer noch ist die seelische Qual für den Hund. Durch die Verknüpfung, die durch diese Behandlung in seinem Gehirn entstanden ist, verbindet er Katzen mit Schmerz. So etwas führt oft soweit, dass der Hund schon Schmerz empfindet, wenn er nur eine Katze sieht…
Und so will dieser Flüstermensch ein friedliches Zusammenleben von dem Hund und der Katze erreichen? Klar, erst einmal geht der Hund der Katze aus purer Angst aus dem Weg. Aber wenn er mit der Katze in einem Raum sein muss, ist er die ganze Zeit unter Stress, er lebt nicht friedlich mit ihr zusammen. Und, wie bereits im Teil 1 erwähnt, kann so etwas, so eine aufgestaute Frustration, zu einer bösen Aggressionsexplosion führen. Nicht weil der Hund „böse“ ist, sondern weil er von Menschen vollkommen idiotisch behandelt wurde.

Moral?

Eine Frage, die beim Anschauen dieses Videos noch bleibt, ist die, ob man einen Hund unbedingt mit einer Katze sozialisieren muss. Nur weil ein Mensch mit den zwei Tierarten unter einem Dach leben möchte, muss man das den Tieren doch nicht antun, wenn Sie Probleme mit der anderen Art haben. Nur damit der Mensch seinen Willen bekommt, werden die Tiere verängstigt und gequält – für mich eigentlich unfassbar. Natürlich kann und darf man versuchen, Hunde und Katzen zu vergesellschaften – und nach meinen persönlichen Erfahrung klappt das meist besser als man denkt. Wenn man dies mit Ruhe und Besonnenheit versucht. Wenn es aber nicht geht, geht es eben nicht. Punkt. Hund und Katze so zusammenzubringen, wie in diesem Beispiel, halte ich persönlich schon für moralisch bedenklich. Ach was, moralisch bedenklich – es ist eine Schweinerei…

 
caesar milan...

der zu anfang gezeigte schäferhund hat ein teletact (rotes halsband)...
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