Rudelchef, Alphatier und Dominanztheorie?

Rebecca

Erfahrener Benutzer
19. Nov. 2008
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Hallo Miteinander

Heutzutage lernt man in Hundeschulen, oder liest in Büchern immer wieder: Mensch muss Rudelchef sein, Mensch leitet als Alpha das Rudel und Mensch muss den Hund dominieren!

Ich möchte einmal einen anderen Blickwinkel auf dieses Thema anbieten.

Rudelchef? Was ist ein Rudel?

Ein Rudel sind artgleiche Tiere die zusammen in einer Lebensgemeinschaft leben (intraspezifisch)

Also, Menschen sind Menschen und unsere Hunde wissen das auch. Wir besitzen keinerlei Fähigkeiten die uns als Hunde qualifizieren würden.

Unsere Riechleistung ist jämmerlich, wir sind viel zu langsam, wir hören schlecht und das äussere Erscheinungsbild und unsere Körpersprache entspricht nicht im entferntesten dem der Hunde.

Alphatier?

Wikipedia sagt dazu:

"Alpha-Tier ist ein Begriff aus der Verhaltensforschung und bezeichnet das Leittier einer Herde oder eines Rudels. "

Ok, das geht ja nicht, weil wir nicht artgleich sind.

Dominanztheorie?

Diese basiert ja darauf, dass wir Teil des Rudels sind. Wir müssten als "Alpha" jeden anderen Hund so weit unterdrücken, dass wir als Leittier anerkannt werden. (Methode einiger Autoren)

Muss ich nun als Mensch versuchen Hund zu sein?

Wie jämmerlich wirke ich dabei wohl auf Hunde, denn meine menschlichen Fähigkeiten würden mir mit Sicherheit die letzte Position im Rudel garantieren.

Muss ich den Hund permanent gängeln und unterdrücken, damit er weiss wo seine Position in meinem imaginären Rudel ist?

Ist es nicht möglich, dass wir in einer Koevolution zusammenleben?

Das wir uns über Generationen so weit aneinander angepasst haben, dass ich als Mensch von Hunden als solcher anerkannt werde und mit ihm friedlich zusammenleben kann?

Was meint ihr dazu?

LG Rebecca

 
gute frage. und sehr gut geschrieben. fast schon, wie aus einem buch oder einer fachstudie..

meine kurze meinung: ich würde mich als team sehen. und von diesem team bin ich nunmal der team-leiter. (team-führer sagt man anscheinend nicht mehr)

 
Danke mechelaar :D

Ist aber nirgens abgeschrieben ;) habe nur sehr viele Bücher über das Thema gelesen und hatte das Glück, sehr gute Lehrerinnen gefunden zu haben.(Und habe fast 2 Stunden für diese Formulierung gebraucht :D )

Team -Leiter gefällt mir!

Das jemand die Führung übernehmen muss ist klar, dass dies vorzugsweise der Mensch ist ebenso. Aber das wie, das beschäftigt mich. ;)

 
hut ab :)

das "wie" erklären zu versuchen, würde ein erneutes buch füllen.

jeder hat andere vorstellungen. jeder macht es anders als der andere. ich kann dir keine allgemein gültigen antworten geben. sorry.

vielleicht können die anderen gescheiteres dazu beitragen.

 
Ich denke auch so wie mechelaar, dass der Ausdruck Team-Leiter wohl am passendsten ist. Mein Kleiner gehört ganz klar zu mir, wir sind ein Team, aber er muss nunmal halt auch wirklich akzeptieren, dass ich ihn leite und er im Extremfall einfach nichts zu melden hat ;) .

 
:D Ist mir schon klar, dass Mensch als "intelligentere" Spezies die Leitung und Führung übernehmen soll. Alles andere wäre überaus verantwortungslos.

Führung heisst mMn. auch Grenzen setzen und ein Ziel anstreben.
In der Mensch-Hund Beziehung soll dies ja Artübergreifend geschehen.
Hier liegt schon ein weiterer Punkt, der Schwierigkeiten mit sich bringt.

Gehen wir wieder von den sogenannten Dominanztheorien aus, ist jeder Hund bestrebt, die Alphaposition zu übernehmen. Mal abgesehen von Artenunterschied, ist diese Position für Hunde wirklich erstrebenswert?

Klar, jeder Hund liegt lieber auf dem weichen, warmen Sofa als auf dem kalten, harten Boden. Ist er deswegen dominant oder sucht er einfach nach einer Obtimierung seiner Lebensqualität?

Wenn die grundlegenden Bedürfnisse eines Hundes gestillt werden, ist es dann für ihn zwingend notwendig nach der Führung zu streben?
Ich glaube kaum, dass sich das ein Hund freiwillig antut. Es kostet sehr viel Energie, birgt die hohe Wahrscheinlichkeit von Verletzungen und überfordert ihn unweigerlich.

Also liegt am Menschen dafür zu sorgen, dass die primären Bedürfnisse eines Hundes befriedigt werden. Streben beide danach, so haben Mensch und Hund das gleiche Ziel.
(Wer dazu nicht bereit ist, der soll mMn. keinen Hund halten)

Nun zu den Regeln
Wer hat nicht schon davon gehört:
Mensch isst zuerst
Mensch geht zuerst zur Tür raus und zuerst wieder hinein
Mensch schubst Hund weg, wenn dieser im Weg liegt
usw.
Dies sollen angeblich Hunde untereinander tun (schon zig Fach wiederlegt)

Was soll das, ausser Verunsicherung bringen?
Liegt ein Hund im Hausflur und schläft, warum soll er sofort aufspringen nur weil Mensch genau da vorbeilaufen will? Lernt er nicht so, dass er nirgends in Ruhe und Sicherheit schlafen kann?
Da sägt man doch an den primären Bedürfnissen des Hundes!

Regeln muss man lernen. Lernen erfolgt immer nach dem selben Prinzip.
Erfolg und Irrtum. Das haben Menschen und Hunde gemeinsam.
Also muss es doch möglich sein, Hunden diese Regeln durch lernen
beizubringen und nicht über abstruse Dominanztheorien.

@ mechelaar
ist schon fast ein Buch geworden ;)

LG Rebecca
 
hi

also ich hatte mit meinem ziemliche dominanzprobleme..... und ich habe das zuerst essen, zuerst durch die türe gehen, etc. beachtet, weil ich mir nicht mehr zu helfen wusste und tägliches auf den rückendrehen zum "wer ist stärker"-spiel wurde und völlig sinnlos war! auch wenns unglaublich mühsam ist mehrmals täglich diese ganzen "spielchen". aber es hat genützt, ich hatte dann eigentlich schnell keine probleme mehr. allerdings das mit dem wegschubsen wenn er liegt habe ich nie gemacht, da ich das a) doof finde und B) war ich immer so glücklich, dass er mal wo liegt und ruhe gibt, dass ich ihn von dort (auch wenn nicht auf seinem platz) sicher nicht aufgeschreckt hätte!

ich denke es kommt sehr auf den hund an. ich hatte mal eine eher schüchterne hündin, dort ist es mir nie in den sinn gekommen auf solche sachen zu achten, wie ihr den topf erst dann zu geben, wenn ich schon gegessen habe.... sie durfte auch aufs sofa, was meiner jetzt nicht darf.... (allerdings muss ich zufügen: seit er kastriert ist, ist er soooo schmuuuusig, dominanzfragen zwischen uns ist auch kein thema mehr, also gabs auch schon die eine oder andere ausnahme.... ;) )

 
Hallo sarii

Schön das ihr nun ohne Probleme zusammenleben könnt! :]
Das ist ja das Wichtigste.

Nun stellt sich mir einfach die Frage:
Ist es wirklich wegen diesen sogenannten "sanften Dominanzübungen"
( ;) die du ja auch nur teilweise befolgt hast) oder ist es einfach so, dass du konsequenter mit ihm gelernt hast?

P.S. ich verabscheue diese "Hund auf den Rücken drehen und unten halten Ãœbung"

Das Hunde Regeln brauchen ist klar. Antiautortäre Erziehung gibts nicht. Hast du vielleicht einfach strenger darauf geachtet, dass die Regeln befolgt werden?

Kannst du mir eine Ãœbung beschreiben wie du sie aufgebaut hast, wie lange es dauerte bis dein Hund sie konnte?

Danke
LG Rebecca

 
smile, ich verabscheute sie auch, diese "rückenumkehrübung".... ich habe sie auch nie (wie man es leider oft sieht) ruckartig auf den rückenschmeissen und am hals festhalten (dabei wird mir übel!!) ich wollte eher, dass er sich vom platz auf den rücken drehen lässt... langsam und mit streicheln. es hatte nichts bedrohliches.

dennoch denke ich, mein problem war etwas komplexer. ich hatte den hund als welpen zusammen mit meinem damaligen lebenspartner zu uns geholt. er war seine bezugsperson, hat die hundeschule absolviert, etc. nach ca. 1.5 jahren kam die trennung, mein ex konnte aus beruflichen gründen den hund nicht mitnehmen. da war ich nun, mit einem hund in der pubertät, der mich kaum als "chefin" (sag ich mal) akzeptierte und sich eher von männern leiten liess (da übrigens sofort und ohne probleme....) wir waren immer sehr konsequent mit ihm, von klein auf, da haben wir sehr viel wert drauf gelegt und es war auch von anfang an ein toller hund!! bis zur trennung.... da fiel die ordnung auseinander, mir gings nicht gut, und ja.... da hatte er seine "rebellische" phase.

mir hats geholfen ihm zu zeigen, dass ich nun der teamleiter bin und nicht mehr mein ex.... es dauerte ca. ein halbes jahr, zwischendurch immer wieder zeiten, in denen es besser ging, gefolgt von phasen, in der er mich wieder ganz klar zu dominieren versuchte....

ich denke es war für alle eine schwierige zeit aber dank den "regeln" konnte ich ihm doch schnell zu verstehen geben..... ich denke ich hätte heute einen super wildfang ohne das! ach ja: ich hab dann noch ein wenig weiter auf dem platz trainiert, da klappte alles wunderbar! der alltag war schwierig mit ihm.

hoffe konnte dir deine fragen beantworten!

wir brauchen diese Regeln schon lange nicht mehr und ich muss manchmal schmunzeln, wenn wir gemeinsam zur türe raus gehen!

LG, sarii

 
Hui!! Das ist ja mal ein interessantes Thema!
Ich mag den Begriff Team sehr. In einem Team haben die unterschiedlichen Mitglieder ja auch unterschiedliche Rechte und Pflichten.
Im Team Mensch/Hund hat der Mensch natürlich gegenüber dem Hund mehr Pflichten als der Hund gegenüber dem Menschen.
Im Zusammenleben mit meinen Hunden, finde ich ist der Schlüssel zum Erfolg Respekt. Ich muss den Hund als Tier mit seinen ganzen Eigenschaften und seinem Verhalten respektieren und der Hund muss mich als Menschen respektieren.

Der Hund steht zum Menschen in einer gewissen Abhängigkeit. Psychisch braucht er meine Zuneigung und die Geborgenheit die ich ihm geben kann, physisch alles andere wie sein Fresschen, sein Zuhause, Pflege und ich denke dieser Umstand ist dem Hund auch bewusst und er nimmt diese Abhängigkeit in Kauf, denn diese faszinierenden Tiere suchen die Nähe und Koexistenz mit uns Menschen.

So gibt er aus meiner Sicht uns Menschen ja schon freiwillig eine gewisse Kontrolle über sich selbst, also muss ich den Hund nicht mit körperlicher „Gewalt“ wie auf den Rücken legen unterdrücken.
Ich stimme mit Rebacca überein, dass der Hund die Alphaverantwortung nur zu gerne an uns Menschen abgibt. Das heisst, wenn wir ein klares, harmonisches Verhältnis zwischen uns und dem Hund aufbauen und es schaffen, dass er uns vertraut und respektiert, dann lässt er uns von selbst führen!

Klar gibt es immer kleine Machtspielchen, Kinder vordern ihre Eltern ja auch immer und immer wieder heraus. Beim Hund denke ich ist das einfach eine Ãœberprüfung, ob wir immer noch die Geborgenheit aufrecht erhalten können oder ob wir vielleicht gerade schwächeln und er mal eben übernehmen soll. ;-)

Ich hoffe ich hab meine Gedanken halbwegs geordnet und logisch formulieren können, dass ist ein wirklich schweres Thema und ich denke dazu gibt es genau so viele Meinungen wie Hundehalter ;-) und ich respektiere jeden, der eine andere Erziehungsmethode bevorzugt, solange dem Hund keine Gewalt wie z.B. schlagen oder einsperren oder so angetan wird. Unser ganzen Bemühungen sollte immer im Sinne des Hundes sein.

 
@ toxic

Super geschrieben und sehr verständlich!

"Klar gibt es immer kleine Machtspielchen, Kinder vordern ihre Eltern ja auch immer und immer wieder heraus."

Bei Kindern glaub ich an Machtspielchen :D , das liegt in unserer Menschenart ;)

"Beim Hund denke ich ist das einfach eine Ãœberprüfung, ob wir immer noch die Geborgenheit aufrecht erhalten können oder ob wir vielleicht gerade schwächeln und er mal eben übernehmen soll. ;-) "

Dieser Satz ist Gold wert!

Das ist Teamarbeit und kein Machtspielchen :D

Ich bin felsenfest überzeugt davon, dass Hunde einfach versuchen zu helfen, auch wenn sie sich damit selbst hoffnungslos überfordern.

Dann liegt es am Menschen, ihm die Verantwortung abzunehmen und die Team-Leiter-Position wieder zu übernehmen.

 
Danke, hab lang gebraucht um das geschrieben zu bekommen.

Wir haben eben einen unkastrierten Rüden, der ist schon recht wild und hat einen sehr dominanten Karakter. Anfangs hatten wirs auch sehr schwer mit ihm, wir waren alle gestresst, auch der Hund, da hat uns ein Bekannter das mit dem auf-den-rücken-legen empfohlen.
Ein mal hab ichs ausprobiert und hatte danach Tage lang ein ultra schlechtes gewissen und ich wollte es nicht mehr tun.
Das Ergebniss dieses Erlebnisses ear, dass ich mir ziemlich viele Gedanken über unser verhältnis zum hund gemacht habe und den fehler bei mir zu suchen probierte, wo ich ihn dann ja auch fand. ;)

 
''mir gings nicht gut, und ja.... da hatte er seine "rebellische" phase.''

Da besteht meiner Meinung nach ein wichtiger Zusammenhang.

 
Sehr schön und gut beschrieben von dir Rebecca, ich versuche das den Leuten auch immer zu erklären, aber einige lassen sich davon nicht abringen das sie Mensch der Pervekte Alpha ist! :rolleyes:

 
Meine persönliche Hundetrainerin sagte mir auch achon in der ersten Stunde, das ich dien Führung übernehmen muss.
Dann fragte ich "Als Rudelführer..?"
Und sie sagte, Nein du bist kein Hund...du würdest nicht als Rudelführer anerkannt!

Ich kann versuchen Herr der Situation zu werden und in Stresssituationen meimne 2 Hunde zu führen, aber Rudelführung ist unmöglich.
Hat man 2 Hunde merkt man das auch, das das die beiden unter sich ausmachen.
Ich bleib da immer aussen vor in Machtspielen.

Aber ich weiss nun das Jaro gereitzt auf andere Hunde, Männer, Velos, Jogger und Autos reagiert, also versuche ich "Herr der Situation zu werden" bevor sich mein Jaro hilflos und überfordert fühlt. Splitten, Beschäftigung, Bogen laufen....danach loben.