Schnauzengriff

fujolelo

Erfahrener Benutzer
01. Feb. 2008
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Hallo Zusammen

Diesen Artikel habe ich heute erhalten:

Der "Schnauzengriff"

Dieser Text stammt von Claudia Hauer, 1. Vorsitzende des TSV Welpennothilfe e. V. - vielen Dank für diese Anregung!

Momentan geistert ein alt-neues "Allheilmittel" durch die Hundeerziehungswelt: Der "Schnauzengriff". Da er in aller Munde zu sein scheint und ich selbst sehr vernünftige Menschen damit irgendwie "herumhantieren" sehe, möchte ich hier mal meine Beobachtungen und Sichtweise darlegen.

Ich beobachte schon seit längerem Hunde im Zusammenleben und der Aufzucht von und mit Welpen aller Altersklassen und vielerlei Rassen und deren Mischlinge. Im Grunde ist mein Heim nie ohne wenigstens einen Welpen, der in Not geraten ist. Vielleicht können meine Beobachtungen und die Rückschlüsse, die ich aufgrund dessen gewonnen habe, einigen "Schnauzengreifern" Denkanstösse vermitteln oder Menschen gar nicht erst zu "Schnauzengreifern" werden lassen.

Zunächst einmal für die Ahnungslosen: Was ist eigentlich ein Schnauzgriff?

In den Hundeschulen wird der Schnauzgriff als Griff von oben über die Schnauze mit mehr oder weniger großen Druck (je nach Veranlagung und Brutalität des Hundetrainers) gegen die Lefzen auf die darunter liegenden Zähne gelehrt. Einige Trainer meinen, bei einem "erfolgreich" und korrekt ausgeführten Schnauzengriff müsse der Welpe laut aufschreien, denn nur so sei es richtig. Ich persönlich stufe den Schnauzengriff als körperlichen Übergriff auf ein empfindliches und äußerst sensibles Körperteil des Hundes, nämlich den Fang, ein.

Abgeleitet wird der Schnauzengriff von etwaigen Beobachtungen der Mutterhündin mit ihren Welpen. Im Internet offenbaren sich Horror-Szenarien und Beschreibungen. Es heißt beispielsweise: "Die Mutter geht mit ihrem Fang quer über die Schnauze ihrer Jungen und beißt oder kneift kurz zu."

Meine Güte, was ist das für eine Brutalität in der Aufzucht! Gar nicht auszudenken, was bei einer derartigen wochenlangen Aufzucht und Maßregelungen für Hunde entstehen! Ich habe im Zusammenleben von Hunden mit Welpen noch nie eine Hündin gesehen, die ihren Jungen in den Fang beißt - noch nie! Im Gegenteil, die Hündin ist zumeist äußerst geduldig und ihren Nerven weitaus strapazierfähig.

Ich kann bestätigen: Es gibt ein "Über-den-Fang-Greifen". Es ist jedoch eher ein sanftes, nachdrückliches "Stupsen", wenn die erste ebenfalls sanfte Verwarnung oder der Versuch des Abdrängens der Welpen, z. B. von den Zitzen nicht ausreicht. Oft kommt vorher ein Knurren und der Welpe hat zunächst noch einmal die Chance, selbst zu reagieren. Erst wenn die Welpen ca. 7 Wochen alt sind und mitunter etwas zu energiegeladen ältere Gruppen-Mitglieder belästigen, wird der Schnauzengriff schon mal energischer, jedoch keinesfalls so, dass der Welpe laut und massiv und nachhaltig aufschreit.

Irgendwann im Verlaufe der Zeit werden die Schnauzgriffe immer seltener und es reichen zumeist die ganz normalen altbekannten innerartlichen Kommunikationsmittel. Es ist albern und absurd, Ihren fast erwachsenen oder erwachsenen Hund mit einem Schnauzengriff zu maßregeln. Mal ehrlich, würden Sie Ihren Ehemann oder Ihre Ehefrau auch mit Stuben-Arrest oder Fernseh-Verbot belegen?

Es ärgert mich immens, wenn Leute, die noch niemals Mutter und Welpen aufgezogen und beobachtet haben, vorschnell solche Erziehungsmittel übernehmen, anderen kluge Ratschläge erteilen und dann auch noch tönen: Das macht doch die Mutterhündin auch so mit ihren Welpen. Bitte fragen Sie künftig diese Leute, die Ihnen zum Schnauzengriff raten, woher sie ihre Erfahrungen beziehen. Wieviele Welpen mit ihren Müttern sie schon in der kompletten Zeit der Aufzucht beobachtet haben? Fragen Sie nach!

Mehrere Probleme gibt es, über die die "Schnauzengreifer" nachdenken sollten:

Der Schnauzengriff wird von der Mutter nach meinen Beobachtungen stets nur dann eingesetzt, wenn etwas "zuviel" oder "übermäßig" ist, insbesondere beim Erlangen der Zitzen, bei all zu stürmischen, aufdringlichen Spiel u. ä. Niemals habe ich das Über-den-Fang-greifen beobachten können, weil ein Hund nicht richtig "Sitz" macht oder in der Tierarztpraxis nicht brav neben mir sitzen bleibt. Der Schnauzengriff ist also KEIN Korrekturmittel für unerwünschtes Verhalten, sondern er dämpft vielmehr einen situationsbezogenen Überschwang.

Wenn Sie den Schnauzengriff bei Ihrem erwachsenen Hund einsetzen, so bitte ich Sie, mal darüber nachzudenken, wie oft Sie selbst den praktizierten Schnauzengriff bei erwachsenen Hunden beobachten konnten? Gar nicht oder äußerst selten? Aha, und warum glauben Sie, dass dies das geeignete Korrekturmittel für Ihren Hund ist?

Schnauzenspielereien, Schnauzenzärtlichkeiten sind übrigens etwas völlig anderes als der Schnauzengriff …

Ich oute mich an dieser Stelle als "Anti-Schnauzen-Greifer". Ich bin keine "Mutter-Hündin" und bilde mir weder ein, den richtigen Zeitpunkt für einen Schnauzengriff zu kennen, noch den richtigen Druck auszuüben. Ich bin nämlich nur ein Mensch.

Mit welcher Arroganz wir gerade in der Hundeerziehung Mittel aus dem innerartilichen Repertoire übernehmen, ist unglaublich. Wir erdreisten uns, unsere Hunde mit Schnauzengriff und Alphawurf zu belegen und lassen aber diejenigen Hunde sofort einschläfern, die mit ebensolchen innerartlichen Mitteln (Aggression) antworten oder sich dagegen zu wehren versuchen. Wie absurd ist das denn? Mit Fairness hat das nichts zu tun und mit Vertrauen, Bindung und Sicherheit erst recht nicht.

Quelle: http://petasdogblog.blogspot.com/2009/1 ... griff.html

 
Hallo fujolelo

Danke für dein Bericht..
Bin ganz deiner Meinung....

Ich finde es sowieso immer absurd solch Methoden anzuwenden denn:
"WIR SIND KEINE HUNDE" wie kommen wir darauf, dass unser Hund uns
bei solchen Attacken versteht... das gleiche wie das absurde "auf den Rücken legen" der Hund versteht nicht warum wir dies tun.. ist verwirrt
und verliert vertrauen.....

aber es ist halt so... gerade bei Ersthundehalter.. es wird einem so viel erzählt und jeder Hündeler auf dem Spaziergang fühlt sich als Experte in
Sachen Hundeerziehung.. und leider gerade so veraltete Denkweisen geistern halt heute immer noch in vielen Köpfen und werden so weitergegeben....

mich nimmt es nur wunder was heute bei den obligatorischen Kursen
gelehrt wird, der ja jeder neue Hundehalter durchlaufen muss..
werden da solche Methoden auch noch als guten Rat mitgegeben??
Gibt es Vorschriften was man den Kursteilnehmern alles mitgeben muss in Sachen Theorie und Praxis?? nimmt mich echt wunder...
weiss du fujolelo da bescheid??

grüessli nadja

 
Hoi Duma

Es gibt keine Vorlagen was wir lehren müssen.

Es gibt gewisse Leitplanken in der Theorie (Lernverhalten, Gesetze usw.) - aber was wir sagen wird nirgends festgelegt.

Ausser der Ausbilder der Zertifizierten gibt gewisse Vorgaben.

Beim Praxisteil ist das Ziel ein alltagsverträglicher Hund. Mehr nicht.

Ich kann dir nur sagen wie wir es machen: wir erzählen wieso solche Massnahmen keinen Sinn machen, wir erzählen wieso nicht mit Kontrolle und Strafen gearbeitet werden soll usw.

Und im praktischen Teil gehen wir raus - in die Natur - treffen uns nie am selben Ort. Wir üben Alltagsdinge wie Begegnungen, Abrufen, warten, "use" usw.

 
Hallo zusammen

Danke für den Bericht, fujolelo. Erübrigt sich glaub, dass ich sage, ganz meine Meinung. Hinzu kommt noch, dass Hunde so schnell und so fein miteinander kommunizieren, dass wir Menschen es so gut wie nicht schaffen, das richtige Timing für den Schnauzengriff zu wählen (jetzt mal abgesehen davon, dass er eh Banane ist). Was soll den Hundl dabei verknüpfen?

Nadja, ich hab den Kurs ja mit DC nicht unlängst her absolviert und genau über diesen Punkt mit meiner Trainerin gesprochen.
Sie ist in einer Vereinigung (hab den Namen vergessen). Sind paar Hundetrainer, die versuchen wollen zu erreichen, dass ein Mindestmass an Qualitätsgarantie in diesen obligatorischen Kursen eingehalten wird.
Laut meiner Trainerin sind viele HuSchus/Trainer weit davon entfernt, weil es eben (mal wieder) nicht einheitlich geregelt ist.
Sie sagt, es müsse vermittelt werden, den Hund alltagstauglich, sicher, kontrolliert und vorausschauend zu führen. Dazu gehörte auch, dass wir kurz die Körperhaltungen der Hunde anschauten, wann es notwendig ist, dass wir als Hundeführer einschreiten, um eine Situation gar nicht erst ausarten zu lassen, usw.
Wir haben die unterschiedlichen Lektionen an den verschiedensten Orten (nicht gestellte Alltagssituationen!) gehabt. Wir haben geübt, wie eine Hundebegegnung aussehen/ablaufen sollte.
Wer seinen Hund eh gewissenhaft und vorausschauend führt, lehrt in dem Kurs nicht mehr wirklich etwas. Ich führe meine Hunde seit jeher so (wurde früher ja schief angeschaut, weil ich mich schon früher weigerte, aversiv auf meinen Hund einzuwirken). Für DC und mich waren diese vier Lektionen die reinste Übung "man kann auch arbeiten, wenn andere Hunde da sind" (also reines Zusatztraining für unsere obligate Grossbaustelle).
Das ganze Umweltgedöns, das kam (gucken wie sich der Hund in der Umwelt verhält), hat DC als Welpe bei seinem Züchter und die erste Zeit bei mir schon alles erlebt. Ich hatte eine ganze Liste, was ich ihm bis vor 16 Woche unbedingt alles zeigen wollte.
Das ganze Umweltgedöns finde ich im obligatorischen Kurs sowas von überflüssig. Einen erwachsenen Hund kann man eh nicht mehr prägen, das ist gelaufen.
Wir hatten eine Ersthundehalterin mit im Kurs mit einem 12 Wochen alten Welpen. Für sie war's genial. Sie hat mega viel lernen und profitieren können. Für uns andere, die wir nicht den ersten Hund hatten, kam nichtss neues und war stinke langweilig.
(Meine Trainerin hat für uns die Aufgaben schwieriger gestaltet, mit mehr Ablenkung für die Hunde, damit wir nicht ganz eingepennt sind......).

Sie erzählte weiter, es gäbe Hundeschule, die würden im obligatorischen Kurs so Dinge machen wie Hunde über's Kreuz abrufen (grosse Beissereigefahr am Schnittpunkt), Hunde durch Stofftunnel rennen lassen, usw. alles Krempel, den kein Mensch im Alltag braucht. Und vom eigentlichen Thema (alltagstauglichen Hund) voll vorbei geht.

Ob sie damit aber was erreichen können, wird die Zeit zeigen.

 
Hallo zusammen

ja die Trainings klingen ja gut... und ich denke ein Ersthundehalter
profitiert davon sicher einiges.. aber eben für die, die schon einen
Hund gehabt haben lernen nichts gross dazu.. aber eben denke ich
vielleicht auch wenn jemand vorher "falsch" mit seinem Hund umgegangen
ist lernt er jetzt doch auch wieder neue Erkenntnisse kennen und versteht
dadurch seinen Hund viel besser... aber es muss natürlich dann auch
eine HuSchu sein die mit den neusten Kenntnissen arbeitet....

aber eben wie gesagt es ist nicht "einheitlich geregelt"
was ich für wichtig empfinden würde.....

und wichtig finde ich das in Theorie die Körpersprache der Hunde
gelernt wird, weil wenn man die versteht und kennt weiss man schon
sehr viel über seinen Hund....

 
Hallöchen!

Danke, Fujolelo, für diesen Text. Tut immer wieder gut zu sehen und hören, dass auch andere so denken - leide hier manchmal in dieser "Hündeler"-Hochburg mit Hundeplatzkadavergehorsam und Geländeanarchie. :?

Tragisch-Witzig finde ich immer die Beobachtung, dass der angewandte Schnauzengriff bei "normalen" Hunden sowieso nichts bewirkt. Die schauen einem meist nur verständnislos an. Denen ist es egal. Einzig unsichere Hunde reagieren extrem darauf, aber die würden bei jeder Form von Korrektur reagieren. Das Problem ist einfach wirklich, dass einem die Hundetrainer noch in den meisten Hundeschulen diesen Quatsch beibringen, wie auch den Alphawurf - frage mich immer wie diese Hundetrainer dies mit Kuwasz, Molosser und Co. denn machen. :D

LG Unakit