Trennungsanst

noura

Erfahrener Benutzer
01. Nov. 2011
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Bevor ihr jetzt alles nur überfliegt und denkt ich habe ein
Problem meinen Hund alleine zu lassen – nein, das ist es nicht. Nur finde ich
keinen passenderen Begriff dafür und es hat doch etwas mit Trennungsangst zu tun.


Wir haben Chuck mit 3 Monaten aus dem Tierheim geholt, nun
ist er auch schon gut 10 Monate bei uns. Zuhause geht alles super. Wenn der
Hund mal alleine sein muss, kommt er in „sein Hundezimmer“ (als meine Schwester
ausgezogen ist, wurde ein Zimmer frei welches vor seinem Einzug zum Hundezimmer
umfunktioniert wurde) darin wird er immer gefüttert, er schläft nachts darin
und auch wenn er alleine ist, ist er darin und wenn er tagsüber rein geht,
weiss er, dass er da seine Ruhe haben kann und ihn niemand stört. Da sie uns in
der Welpenspielstunde gesagt haben, dass Tierheimhunde oft Trennungsängste haben,
haben wir ihn zwischendurch immer wieder gefilmt, wenn er alleine war.
Hauptsächlich schläft er und macht keine Probleme, kein Winseln, kein Bellen,
nichts.


Allerdings ist er extrem auf meine Mutter und mich bezogen.
Wenn wir zuhause sind, hat mein Vater oder Bruder keine Chance mit ihm auf den
Guet-Nacht-Bisligang zu gehen. Er geht aus der Türe und setzt sich hin, will
sich kein Meter bewegen. Wenn wir nicht da sind, klappt es ohne Probleme.


Das ist aber immernoch ein „Teilproblem“. Denn mein Hund hat
Angst, wenn meine Mutter oder ich „weglaufen“. Das hat bereits in der
Junghundeschule angefangen, bei den Abrufübungen. Wir hatten keine Chance uns
mehr als 1 Meter zu entfernen ohne dass er nicht in totalen Stress fiel.


Mittlerweile ist er aber soweit, dass er auch herumtollt
wenn er frei ist und sich einfach zwischendurch wiedermal umsehen kommt. Soweit
alles gut.


Wenn ich dann aber zum Beispiel zu jemanden auf Besuch gehe
und mal auf die Toilette muss, kriegt er totale Panik. Fängt an zu winseln und
zu bellen, manchmal biselt er dann sogar rein. Jede Ablenkung von jemand
anderem funktioniert nicht. Kein Spielen, kein Futter, kein Streicheln (wir
streichelten ihn nicht als Belohnung, sondern nur mal um zu schauen, ob er sich
ablenken lässt, es war nur ein Versuch und hat nicht geklappt). Wenn jemand von
uns (meine Mutter oder ich) bei ihm sind, ist es etwas besser, aber sobald ich
bei Freunden bin, haben die keine Chance (mein Hund kennt diese seit er bei uns eingezogen ist und wir machen viel mit ihnen.)



Wir haben bereits versucht, dass wir das Kommando „Warten“
auf längere Distanz einführen und er weiss, dass wir
wiederkommen – er wartet auch schön im Sitz, bis wir wieder zurückkommen, aber
er winselt unglaublich! Es tut einem richtig weh im Herzen.


Das selbe gibt’s auch, wenn man ihn kurz versucht irgendwo
anzubinden (wir wollen ihn ja nicht 30 Minuten alleine draussen sitzen lassen,
aber wenn es halt ganz dringend auf die Post muss und der Hund nicht reindarf)
er windet sich aus dem Gstältli oder winselt unglaublich.


Es geht uns nicht darum, dass wir den Hund lange irgendwo
alleine lassen können, keinesfalls. Aber wenns dann wirklich sein muss und ich
beim Besuch auf die Toilette muss, will ich ihn nicht mehr solchem Stress
aussetzen – es muss wirklich schlimm für ihn sein, wenn er nicht mal etwas
fressen will.


Wir haben es auch bereits versucht, die Hundebox
mitreinzunehmen und ihn dann da rein zu tun, wenn jemand kurz auf die Toilette
muss, aber auch das geht nicht. Ansonsten klappt es mit der Box überall und er
geht gerne und freiwillig rein.


Wir sind mittlerweile wirklich ratlos, wie wir es ihm etwas
erleichtern können.

 
Was mich noch wunder nimmt, ob er Angst vor anderen/fremden Menschen hat.

Frage nur weil meine auch so war als Junghund, sogar bis ca. 2-3 jahre. Aber sie hatte von grundauf Angst vor fremden Leuten und konnte deswegen keine Distanz zu mir ertragen. So quasi sie könnte sterben wenn sie den Leuten ausgesetzt war. :lalala:

 
Mit der Angst vor Fremden kommt es darauf an. Es gibt Menschen die machen ihm nichts aus und andere bei denen ein Gebell und verstecken zwischen meinen Beinen anfängt. Im dunkeln sind dann alle böse. Und Betrunkene mag er auch nicht.

Er braucht einfach zuerst seine Zeit, muss mal ausgiebig an den Menschen schnüffeln, aber dann geht es auch, solange sie sich nicht über ihn beugen.

Am ausgeprägtesten ist die Angst bei grossen, bärtigen Männern.

Hat sich das bei dir einfach so wieder gelegt oder wie hast du daran gearbeitet?

 
och am Anfang war es ganz schlimm. Grad wenn noch ein fremder Mensch (also in der Hundeschule auch Übungsleiterinnen ) daneben standen. Also 3m reichten aus um sie in Panik zu versetzen. Die mussten bei ihr immer weiter wegstehen damit sie überhaupt ein Bleib mit 2m Distanz zu mir ertragen konnte.

Ich musste sogar das Kommando ,,bleib,, weglassen und ein anderes nehmen weil sie schon beim Wort in Dauergebell und Panik ausbrach. Es war ein riesen kampf. Sie konnte erst mit 1,5 Jahren ein Bleib (eben die 2m entfernt und alle anderen Leute sicher 5m weg).

Anbingen war ganz schlimm und habe ich auch bis heute nicht weggebracht. Sobald ich sie anbinde und 2m wegstehe bellt sie nonstopp.

Ich habe alles mit viel viel kleinen Schritten soweit weggebracht, dass ich damit leben kann. :D Aber vor der Post anbinden kann ich nicht. Das wäre eine Zumutung für alle Leute.

Gepiselt hat meine aber nie wenn wir zu besuch waren, aber sie hat auch dann voll gekläfft. Also hiess es Hund mitnehmen aufs WC ausser jemand von der Familie war noch anwesend dann gings.

Als Welpe/Junghund konnte nur ich und mein Freund sie berühren, nicht mal meine Mutter oder sonst wer. Und das bis sie ca. 4-5 Monate alt war. :S

Aber ob das er Auslöser bei dir ist, ist schwer zu sagen. Aber dank Diuni weiss ich wie ein Hund aus Angst reagieren kann. Die Hunde kann man dann auch nicht ,,abstellen,, weil sie sich so reinsteigern und wie abstellen im Kopf. Sie ticken dann förmlich aus und studieren nichts mehr.

 
Das "Bleib" kann meiner dann eben schon. Solange er Sichtkontakt hat, gehts auch ohne Winseln, erst wenn wir dann irgendwo hinter einer Wand verschwinden, dann gehts los, obwohl er noch immer am selben Platz wartet.

Als Welpe liess er sich eigentlich auch von allen anfassen, da muss wohl irgendwann ein Fehler von unserer Seite passiert sein oder eine Sache geschehen sein, die wir nicht bemerkt haben :S
Sobald er aber Zeit zum an den Händen schnüffeln hatte, geht es dann aber mit dem Anfassen bei allen. (Leider gibt es auf Spaziergängen oft Leute - die ihre Hunde auch frei laufen lassen - die Ihn streicheln wollen, wenn er an ihnen vorbeigeht zum andern Hund. Das passt ihm dann gar nicht und er duckt sich schnell weg. Wenn sie ihn dann noch provozieren - wie letztens eine Dame mit einem Blumenstrauss, die sie ihm immer vor die Nase gedrückt hat - geht dann das Gekläffe los, er lässt sich dann aber auch gut abrufen.)

Er winselt zum Teil auch anderen Leuten nach, die er erst seit ein paar Stunden kennt. Wenn wir dann irgendwo jemanden antreffen und uns ein paar Stunden mit Ihnen beschäftigen, hat er wohl das gefühl, dass auch diese Person zum "Rudel" gehört und wenn sie dann weggeht, fängt er an zu winseln. Da dann aber entweder ich oder meine Mutter anwesend sind, hört er bald wieder auf.

Bin aber froh zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, die ihren Hund nicht anbinden kann :p

 
Hoi Noura!
Ganz spontan fallen mir zwei Möglichkeiten ein, die Du mit Chuck versuchen und ausbauen könntest:

1. Spaß haben mit anderen Personen
Es geht da erst mal noch gar nicht drum, dass Chuck mit denen weg gehen soll. Wenn Ihr Freunde bei Euch einladet oder bei Freunden zu Besuch seid, dann frag doch mal, ob immer mal wieder einer mit Chuck ein paar Leckerlispiele in der Wohnung machen will. Zuerst vielleicht noch in Deiner direkten Nähe, kleine Kunststückchen, Leckerlis durch die Gegend werfen und suchen lassen oder Leckerlis verstecken und Chuck dann schicken.
Nach und nach könnten die Leute versuchen ihn immer mal etwas weiter von Dir weg zu beschäftigen und zu bespaßen, wobei Chuck jederzeit zu Dir zurück kommen kann.

Ziel könnte sein, dass Chuck lernt, sich einfach von Dir oder Deiner Mutter lösen zu können und auch zu anderen Menschen eine Bindung und Verrauen aufzubauen.

2. Kenneltraining ausbauen
Du hast geschrieben, dass er gerne in den Kennel geht und sonst auch gerne drin bleibt, nur Schwierigkeiten hat, wenn ihr ihn verlasst (und dass an einem fremden Ort nehme ich an). Hier könnte es helfen, wenn der Kennel zugedeckt wird, so dass er nicht mehr die volle Sicht nach draußen hat. Ihr haltet Euch dann erst mal immer direkt neben dem Kennel auf, so dass Chuck Euch zwar nicht mehr permanent sehen kann, aber Ihr jederzeit in sein Blickfeld kommen könnt und er Euch ja auch direkt neben sich hören kann.
Wenn er so zugedeckt ist, und Ihr Euch dann mal entfernt bekommt er es im Idealfall gar nicht so mit, dass ihr gerade nicht da seid, da Ihr ja auch nicht ständig labert. So könnt Ihr mal unentdeckt aufs Klo gehen und Chuck dann fürs tolle warten belohnen. Bin mir eigentlich sicher, dass das klappen kann, hatte ähnliche Hürden auch mit meinem Eisbär zu bewältigen. Zu sehen, dass sich die Sozialpartner entfernen ist das, was Stress macht. Diesen Stress kann man damit gut reduzieren und als Trainingssituation langsam immer weiter ausbauen.

Hoffe da ist was brauchbares für Dich dabei!

Liebe Grüße und viel Erfolg,
Katrin

 
Mir fällt in deiner Beschreibung vor allem eines auf, der Hund hat eigentlich gar nie gelernt, dass es normal ist, wenn jemand weg geht und er hat euch mittlerweile auch schon ein bisschen erzogen. Damit meine ich, dass wenn ihr weg geht, z.B. aufs Klo, geht ihr schon mit einem schlechten Gewissen und er merkt das natürlich. Er konnte gar nicht die Erfahrung machen, dass es nichts besonderes ist, wenn ihr verschwindet und wieder kommt. Dann - gaaanz wichtiger Punkt - machen ja alle anderen auch ein riesen Tamtam daraus, die wollen mit ihm spielen, streicheln, Leckerli geben, tja, dann muss es ja wirklich total speziell und komisch sein. Weisst du was ich meine? Wenn es ihm wirklich um fehlende Sicherheit geht, dann kriegt er dadurch noch mehr Stress und Druck, weil da diese anderen Menschen plötzlich alle etwas von ihm wollen.

Da er mit sicherer Rückzugsmöglichkeit gleich reagiert, zweifle ich allerdings, ob es wirklich NUR mit Unsicherheit oder Überforderung zu tun hat (alleine bleiben kann er ja) oder nicht auch mit Kontrollverlust. Vergessen sollte man nicht, dass da Border oder sowas drin ist, also Hütehund. Kann auch ganz gut sein, dass er es irgendwo auch ein bisschen daneben findet, wenn ihr einfach so weg geht.

Ich würde das Ganze einfach nochmal ganz neu aufbauen und zwar komplett von vorne in ganz kleinen Teilschritten. Zuerst eine bestimmte Decke wählen, die immer mit kommt. Diese zu Hause, nur fürs Üben hinlegen und in ganz kleinen Schritten das Warten üben. Er soll dabei auf der Decke bleiben. Kommst zurück, belohnen. Irgendwann und ja nicht unter einer Woche täglichem kurzem Training, Decke vor einen Zimmerausgang, "Warten", um die Ecke, nochmals "Warten" sagen (dann weiss er, dass ihr noch da seid) und gleich zurück. Das steigerst du gaaaaanz langsam! Er sollte gar nie ins Winseln kommen. Sonst ist diese Decke aber nie da. Mit der Zeit nimmst du sie mit nach draussen. Selbes Spiel, zuerst sieht er euch und irgendwann läufst du um einen Baum herum, dass er euch kurz verliert und weiter steigern. Aber auch wieder über ganz viele Tage, wenn er sich einfach sicher ist. Dann beginnst du die Decke mit auf Besuch zu nehmen. Hund darauf platzieren in deiner Nähe, wenn du raus gehst, Decke mit und z.B. vor der Küche platzieren, wenn du kurz in die Küche mitgehst, er sieht dich aber immer. Die anderen Leute, ignorieren ihn. Wenn du aufs Klo gehst, Decke vor der Tür deponieren und Türe offen lassen - die anderen können ja vorgewarnt werden. :D Mit der Zeit machst du es auch da mit kurz ausser Sicht gehen oder die Tür nur noch einen Spalt offen lassen. Nimm ihn aber unbedingt inklusive Decke mit vor die Tür.

Hoffe, ich konnte es verständlich erklären, sonst einfach nachfragen.

 
Danke an euch!

Sind ja schonmal ein paar Ideen zusammengekommen. Ich denke ich werde vorerst, das mit der Decke etwas vertiefen. Er kennt diese "Decke" nämlich schon, wenn es bei uns klingelt. Wenn es klingelt, wird die Decke vom Gestell genommen und er darf darauf warten, bis der Besuch im Haus ist, da er sonst immer gleich alle angesprungen hat (ist nicht sein Schlafplatz, sondern eine Decke mit Türsicht). So denke ich, dass wir dieses Training etwas weiter ausbauen können, mit der "sicheren" Decke.

Vielen Dank nochmals!

Ach und Disthen: Uns ist klar, dass wir einen Fehler in der Erziehung gemacht haben und er es nie gelernt hat, wir sind mittlerweile vermutlich auch etwas zu spät und haben zu lange gedacht, dass sich dies mit der Zeit legen wird und er sich einfach noch nicht an alles gewöhnt hat. Dafür haben wir jetzt umso mehr Ehrgeiz ihm das Leben damit etwas zu erleichtern. Wie die meisten Hundetrainer sagen: Es ist niemals die Schuld deines Hundes, wenn er etwas macht, dass er nie anders gelernt hat.