Ich habe in labinchens Thread darauf hingewiesen, dass ich gerade einige (für mich) sehr spannende Abschnitte über das Wesen des Pudels gelesen habe - weil es insgesamt doch recht viel Text ist und erstmal überhaupt nichts mit labinchens Patenhund zu tun hat, packe ich das Ganze hier rein.
Ich lese momentan “The Behavioural Biology of Dogs”, herausgegeben von P. Jensen in 2007. Es dient mir als Vorbereitung für ein weiteres Buch, aber soweit bin ich noch nicht. In dem genannten Buch ist ein Kapitel von Dorit U. Feddersen-Petersen, aus dem ich jetzt Textabschnitte grob übersetzt habe, weil ich darum gebeten würde. Ich poste aber zusätzlich den Originaltext, damit keine Details verloren gehen:
"Soziales Verhalten bei Hunden und verwandten Hundeartigen"
Dorit U. Feddersen-Petersen
(in: „Die Verhaltensbiologie bei Hunden“, P. Jensen (Hrsg.), Cabi-Verlag)
Einige Details über den Geselligkeitstrieb bei Hunden
(…)
Wir fanden in unseren Untersuchungen, dass einige Hunderassen in Gruppen weder in der Lage sind zu kooperieren (in einem sehr einfachen Sinne: einfach Dinge gemeinsam tun) noch zu konkurrieren, was sich darin wiederspiegelt, dass sie nicht in der Lage sind, Rangordnungen zu erstellen und zu halten (z. B. bei Pudeln). Die Interaktionen in diesen Hundegruppen sind nicht funktional und die Mitglieder haben Schwierigkeiten, mit den Herausforderungen ihrer Umwelt umzugehen. Besonders auffällig ist, dass taktische Varianten der Konfliktlösung (beschwichtigen, animieren oder unterdrücken des Gegners), die bei Wölfen gang und gäbe sind, in Gruppen einiger Hunderassen nicht existieren. Diese Strategien sind allerdings wichtig, um ein Rudel zu erhalten. In vielen Hundegruppen eskalieren belanglose Konflikte zu ernsthaften Kämpfen.
(…)
Wir fanden heraus, dass Rassegruppen sich hauptsächlich in den folgenden Verhaltensnormen unterschieden:
1. Es gab wesentlich mehr und wesentlich aggressiveres Verhalten in Toy Pudeln, West Highland Terriern, Jack Russell Terriern, einigen Bullterriern und einigen Labrador Retrievern.
2. Soziales Spielen war bei Wölfen, Standard Pudeln und den bereits erwähnten Nordischen Rassen wesentlich häufiger und unterschiedlicher (…)
(…)
Der mögliche Grund für das reduzierte Vermögen einiger Hunderassen, stabile Gruppen zu formen wird später diskutiert werden. Nichtsdestotrotz können wir hier schon darauf hinweisen, dass beispielsweise Pudel jede / alle Interaktionen mit Artgenossen unterbrechen werden, wenn / wann immer ein Mensch die Szene betritt – eine faszinierende Tatsache bezüglich der sozialen Gesinnung dieser Hunde. (…) Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde während des Domestikationsprozesses essentielle Fähigkeiten verloren haben, die notwendig sind, um ausschliesslich mit Artgenossen in Gruppen leben zu können.
(…)
Die Entwicklung von Sozialverhalten in Wölfen, Haushunden und verwandten Hundeartigen
(…)
Das Spielen ohne Spielpartner ist weit weniger üblich verglichen mit Gesellschaftsspielen. Haushunde zeigen ihr Höchstmass an Spielaktivitäten zwischen der sechsten Lebenswoche und ungefähr dem sechsten Monat. In dieser Zeit hat sich eine relativ stabile Hierarchie gebildet und von jetzt an sind Spiele immer vordergründig aggressiv eingefärbt und können sogar in ernsthaften Kämpfen enden (z. B. bei Pudeln).
(…)
Konflikte zwischen Wölfen stellen sich hauptsächlich als komplexe, ritualisierte Kämpfe dar. Hunde kämpfen in der Regel viel weniger ritualisiert. So eskalierte beispielsweise eine Attacke eines dominanten Pudel-Rüden in 70% aller beobachteten Fälle im Zupacken und Schütteln – unabhängig von der Reaktion des Gegners.
(…)
Warum haben einige Hunderassen Probleme, stabile Gruppen zu formen?
(…)
In gemischten Pudel-Wolf-Gruppen konnten wir beobachten, dass die Reduktion der Gesichtsausdrücke Probleme bei der sozialen Kommunikation verursacht und zu vermehrter Aggression führen kann.
(…)
______________________________________________________________________________________________________
Hier die Original-Textabschnitte:
Social Behaviour of Dogs and Related Canids
Dorit U. Feddersen-Petersen
(in: “The Behavioural Biology of Dogs”, P. Jensen (ed.), Cabi-Verlag)
Some Details of Dog Sociality
(…)
In our research, we found that some dog breeds are unable to cooperate (in a very basic manner: just doing things together) and compete in groups, reflected in difficulties in establishing and maintaining a rank order (e.g. poodles). The interactions in these dog groups are not functional, and the members have difficulties coping with challenges from the environment. It is striking that tactical variants of conflict solving (to appease, animate or inhibit the opponent), a common practice in wolves, do not exist in groups of several dog breeds. These strategies, however, are important for pack maintenance. Within many groups of dogs, trivial conflicts often escalate into damaging fights.
(…)
We found that breed groups differed mainly with respecct to the following behavioral measures (Feddersen-Petersen, 2004):
1. There was much more frequent and much more severe aggressive behavior in toy poodles, West Highland white terriers, Jack Russell terriers, some bull terriers and some Labrador retrievers.
2. There was much more frequent and variable social play in the wolves, standard poodles, the earlier mentioned Nordic breeds… (…)
(…)
The possible reasons for the decreased capability of several dog breeds to form stable groups will be discussed later. However, we can already note here that poodles, for example, will interrupt every / any interaction with conspecifics, if / whenever a human appears, an intriguing fact regarding the social minds of these dogs. (…) These findings suggest that during the process of domestication, dogs have lost essential capabilities necessary to adapt to living exclusively with conspecifics in groups.
(…)
Development of Social Behaviour in Wolves, Domestic Dogs and Related Canids
(…)
Solitary play is much less common as compared to social games. Domestic dogs exhibit a maximum in play activity between the sixth week of life and approximately 6 months of age. At this time, a relatively stable hierarchy has been established and from now on the games are tinted by a primarily aggressive tone and may even end in serious fights (for example, in poodles).
(…)
Conflicts between wolves are mainly seen in the form of complex, ritualized fighting. Dogs, as a rule, fight in a much less ritualized manner. For example, an attack launched by a dominant poodle male escalated into grabbing and bite-shaking in 70% of the observed cases, regardless of the opponent’s reaction.
(…)
Why Do Several Dog Breeds Have Problems in Forming Stable Groups?
(…)
Reductions in facial expression produce problems in social communication, as we have found in mixed poodle-wolf groups, and may cause increased aggression.
(…)
Ich lese momentan “The Behavioural Biology of Dogs”, herausgegeben von P. Jensen in 2007. Es dient mir als Vorbereitung für ein weiteres Buch, aber soweit bin ich noch nicht. In dem genannten Buch ist ein Kapitel von Dorit U. Feddersen-Petersen, aus dem ich jetzt Textabschnitte grob übersetzt habe, weil ich darum gebeten würde. Ich poste aber zusätzlich den Originaltext, damit keine Details verloren gehen:
"Soziales Verhalten bei Hunden und verwandten Hundeartigen"
Dorit U. Feddersen-Petersen
(in: „Die Verhaltensbiologie bei Hunden“, P. Jensen (Hrsg.), Cabi-Verlag)
Einige Details über den Geselligkeitstrieb bei Hunden
(…)
Wir fanden in unseren Untersuchungen, dass einige Hunderassen in Gruppen weder in der Lage sind zu kooperieren (in einem sehr einfachen Sinne: einfach Dinge gemeinsam tun) noch zu konkurrieren, was sich darin wiederspiegelt, dass sie nicht in der Lage sind, Rangordnungen zu erstellen und zu halten (z. B. bei Pudeln). Die Interaktionen in diesen Hundegruppen sind nicht funktional und die Mitglieder haben Schwierigkeiten, mit den Herausforderungen ihrer Umwelt umzugehen. Besonders auffällig ist, dass taktische Varianten der Konfliktlösung (beschwichtigen, animieren oder unterdrücken des Gegners), die bei Wölfen gang und gäbe sind, in Gruppen einiger Hunderassen nicht existieren. Diese Strategien sind allerdings wichtig, um ein Rudel zu erhalten. In vielen Hundegruppen eskalieren belanglose Konflikte zu ernsthaften Kämpfen.
(…)
Wir fanden heraus, dass Rassegruppen sich hauptsächlich in den folgenden Verhaltensnormen unterschieden:
1. Es gab wesentlich mehr und wesentlich aggressiveres Verhalten in Toy Pudeln, West Highland Terriern, Jack Russell Terriern, einigen Bullterriern und einigen Labrador Retrievern.
2. Soziales Spielen war bei Wölfen, Standard Pudeln und den bereits erwähnten Nordischen Rassen wesentlich häufiger und unterschiedlicher (…)
(…)
Der mögliche Grund für das reduzierte Vermögen einiger Hunderassen, stabile Gruppen zu formen wird später diskutiert werden. Nichtsdestotrotz können wir hier schon darauf hinweisen, dass beispielsweise Pudel jede / alle Interaktionen mit Artgenossen unterbrechen werden, wenn / wann immer ein Mensch die Szene betritt – eine faszinierende Tatsache bezüglich der sozialen Gesinnung dieser Hunde. (…) Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde während des Domestikationsprozesses essentielle Fähigkeiten verloren haben, die notwendig sind, um ausschliesslich mit Artgenossen in Gruppen leben zu können.
(…)
Die Entwicklung von Sozialverhalten in Wölfen, Haushunden und verwandten Hundeartigen
(…)
Das Spielen ohne Spielpartner ist weit weniger üblich verglichen mit Gesellschaftsspielen. Haushunde zeigen ihr Höchstmass an Spielaktivitäten zwischen der sechsten Lebenswoche und ungefähr dem sechsten Monat. In dieser Zeit hat sich eine relativ stabile Hierarchie gebildet und von jetzt an sind Spiele immer vordergründig aggressiv eingefärbt und können sogar in ernsthaften Kämpfen enden (z. B. bei Pudeln).
(…)
Konflikte zwischen Wölfen stellen sich hauptsächlich als komplexe, ritualisierte Kämpfe dar. Hunde kämpfen in der Regel viel weniger ritualisiert. So eskalierte beispielsweise eine Attacke eines dominanten Pudel-Rüden in 70% aller beobachteten Fälle im Zupacken und Schütteln – unabhängig von der Reaktion des Gegners.
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Warum haben einige Hunderassen Probleme, stabile Gruppen zu formen?
(…)
In gemischten Pudel-Wolf-Gruppen konnten wir beobachten, dass die Reduktion der Gesichtsausdrücke Probleme bei der sozialen Kommunikation verursacht und zu vermehrter Aggression führen kann.
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Hier die Original-Textabschnitte:
Social Behaviour of Dogs and Related Canids
Dorit U. Feddersen-Petersen
(in: “The Behavioural Biology of Dogs”, P. Jensen (ed.), Cabi-Verlag)
Some Details of Dog Sociality
(…)
In our research, we found that some dog breeds are unable to cooperate (in a very basic manner: just doing things together) and compete in groups, reflected in difficulties in establishing and maintaining a rank order (e.g. poodles). The interactions in these dog groups are not functional, and the members have difficulties coping with challenges from the environment. It is striking that tactical variants of conflict solving (to appease, animate or inhibit the opponent), a common practice in wolves, do not exist in groups of several dog breeds. These strategies, however, are important for pack maintenance. Within many groups of dogs, trivial conflicts often escalate into damaging fights.
(…)
We found that breed groups differed mainly with respecct to the following behavioral measures (Feddersen-Petersen, 2004):
1. There was much more frequent and much more severe aggressive behavior in toy poodles, West Highland white terriers, Jack Russell terriers, some bull terriers and some Labrador retrievers.
2. There was much more frequent and variable social play in the wolves, standard poodles, the earlier mentioned Nordic breeds… (…)
(…)
The possible reasons for the decreased capability of several dog breeds to form stable groups will be discussed later. However, we can already note here that poodles, for example, will interrupt every / any interaction with conspecifics, if / whenever a human appears, an intriguing fact regarding the social minds of these dogs. (…) These findings suggest that during the process of domestication, dogs have lost essential capabilities necessary to adapt to living exclusively with conspecifics in groups.
(…)
Development of Social Behaviour in Wolves, Domestic Dogs and Related Canids
(…)
Solitary play is much less common as compared to social games. Domestic dogs exhibit a maximum in play activity between the sixth week of life and approximately 6 months of age. At this time, a relatively stable hierarchy has been established and from now on the games are tinted by a primarily aggressive tone and may even end in serious fights (for example, in poodles).
(…)
Conflicts between wolves are mainly seen in the form of complex, ritualized fighting. Dogs, as a rule, fight in a much less ritualized manner. For example, an attack launched by a dominant poodle male escalated into grabbing and bite-shaking in 70% of the observed cases, regardless of the opponent’s reaction.
(…)
Why Do Several Dog Breeds Have Problems in Forming Stable Groups?
(…)
Reductions in facial expression produce problems in social communication, as we have found in mixed poodle-wolf groups, and may cause increased aggression.
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