Ich versuche Dir die Ursachen und Wirkung für das "Fehlverhalten" Deines Hundes zu erklären. Dazu werde ich aber etwas ausholen müssen.
1. Sich nicht beschnüffeln lassen wollen
In der Hundewelt stellen sich Hunde in ihrem Rang vor. Der dominantere (normalerweise der ältere) Hund erlaubt sich, den rangniedrigeren Hund zu beschnüffeln. Dieser lässt dies in der Regel (in der Natur) auch zu.
Hunde kommen normalerweise in einer Wurfkiste zur Welt, wo die Mutter für klare Strukturen sorgt, damit auch jeder Welpe überlebensfähig sein soll. Würde sich da z.B. ein Welpe erlauben für 3 zu trinken, so würde die Mutter ihn beim ersten Mal ruhig und bestimmt zurückweisen. Würde er dann die Frechheit haben, diese Zurückweisung zu ignorieren, bzw. sich gleich nochmals falsch verhalten, so würde ihn die Mutter so korrigieren, dass sie es bestimmt kein drittes Mal mehr machen müsste.
Kommt dann der Hund mit ca. 3 Monaten in seine neue "Höhle", so merkt er rasch, dass er vor allem Zuwendung bekommt, und dass am neuen Ort niemand für diese konsequente Ordnung und Sicherheit sorgt, wie das seine Mutter gemacht hatte. Hunde wissen instinktiv, dass wenn niemand den dominanten Teil übernimmt, dass das Rudel nicht überlebensfähig sein wird.
Er fängt an, uns tagtäglich zu testen, ob er diese Rolle weiterhin übernehmen soll. Dies macht er mit Gesten wie z.B. sich durchstrecken beim Aufstehen, uns anstupsen, ablecken, uns in den Weg stehen oder liegen, uns zu Hause nachlaufen, uns zu Hause fixieren, etc.
Hunde bemerken sehr rasch, dass wir Menschen die Neigung haben, das Verhalten unseres Hundes falsch zu interpretieren. Hier nach am Rande erwähnt... Wisst ihr, warum wir Menschen immer falsch liegen, wenn wir betreffend Verhalten unseres Hundes eine Erklärung finden? Ganz einfach: Hunde können unsere Gedankenzüge gar nicht so nachvollziehen. Sie sind Hunde und keine Menschen (auch wenn sich Mensch mittlerweile einreden möge, dass Hunde schon so lange domestiziert sind, dass sie keine Tiere in ihrem Sinne seien...). Die Lösung die wir finden ist oft auch diejenige, die uns am besten passt, bzw. wo wir auch keine Schuld dafür tragen (z.B. Rasse, Züchter, etc.). Einfache menschliche Psychologie.
Wir verwechseln oft auch Freude mit Aufregung. Springt ein Hund uns z.B. beim nach-Hause-kommen an, so massregelt er uns und zeigt uns keine Freude.
Die obigen Schilderungen führen dazu, dass wir uns zu Hause vom Hund besitzen oder kontrollieren lassen und ihm den dominanten Rang überlassen. Hunde nehmen ihre Aufgabe sehr ernst und werden dann draussen all das verteidigen, was sie zu Hause besitzen dürfen.
Treffen wir dann draussen auf Hunde, die zu Hause auch in diesem dominanten Rang gehalten werden, dann wollen die sich dann auch nicht abschnüffeln lassen, da sie zu Hause immer wieder in ihrem höchsten Rang bestätigt wurden. Zudem kommt dann meist noch das Hauptproblem dazu: Je länger wir zu Hause die Kommunikation falsch interpretieren, desto mehr machen wird dann über die Jahre auch diese Falschbestätigungen. Diese Falschbestätigungen führen dann dazu, dass der Hund zu Hause immer rang-höher wird. Je höher im Rang, desto grösser dann die Verantwortung draussen, die er für "sein Rudel" trägt. Solche Hunde werden dann mit den Jahren draussen immer wie unsicherer wegen Überforderung in ihrem Rang. Auch haben sie dann oft kein Interesse mehr an Artgenossen, da sie auf ihren "grossen Welpen" aufpassen müssen.
Trifft man dann auf einen Artgenossen, der genau dasselbe Problem hat wie es ca. 70% aller Hunde haben (seinen Besitz verteidigen, in zu hohem Rang gehalten), so machen wir oft noch den Fehler, dass wir eine Menschenbegegnung und keine Hundebegegnung daraus machen, indem wir stehen bleiben (wir wollen ja freundlich sein und zuerst den Menschen begrüssen). Genau in diesem Moment kreieren wir eine Situation, die dann auch sehr rasch eskalieren kann, wenn dann einer der Hunde nicht ausgeglichen ist. Durch das Stehenbleiben erzeugen wir Anspannungen (haben wir dann noch Angst, es könnte etwas passieren, so sind wir dann auch noch der Auslöser, dass es passieren muss...), die Hunde sofort bemerken.
Richtig wäre, dass ihr beim Aufeinandertreffen zuerst mal beide Hunde an der Leine habt und dann zusammen ein paar Minuten lang in die gleiche Richtung gehen würdet. Haben sich die Hunde dann etwas aneinander gewöhnt, sind sie dann auch schon viel entspannter. Genau in diesem Moment kann man dann den dominanteren Hund (normalerweise der Ältere, wenn er nicht grössere Unsicherheiten zeigt, als der Jüngere) am Hinterteil des anderen Hundes riechen lassen, der es dann auch zulassen sollte. Von da an habt ihr ein Rudel zusammengeführt und es wird erst wieder Problematisch, wenn die Personen involviert sind (Besitzansprüche gegenüber seinem "grossen Welpen").
Ihr seht, so würde es funktionieren, wenn der Mensch im höheren Rang stehen würde und sich nicht vom Hund besitzen lassen würde. SOLANGE DIE URSACHEN unseres niedrigen Ranges nicht erkannt, bzw. behoben wurden, kann auch das zu Problemen führen (z.B. bei eigenen Unsicherheiten oder Anspannungen), da wir nicht respektiert werden. Also bitte keine Experimente wenn ihr noch nicht an Eurem Rang gearbeitet habt!
2. Situation "Schnappen"
Dies ist nun die Wirkung auf die oben beschriebenen Ursachen. Dein Hund ist mittlerweile 8 und eigentlich erstaunt es mich, dass Du diese Probleme nicht schon seit ca. 4 Jahren haben müsstest. Dass sie es erst jetzt macht, hat mit den zunehmenden Unsicherheiten von Luna zu tun.
Dir wurde empfohlen professionelle Hilfe zu suchen. Du wirst wahrscheinlich rasch merken, dass Du von normalen Hundetrainern (ach ist dieses Wort doch nur soooo falsch....) auch nur menschliche Erklärungen bekommen wirst, die Dich zwar am Anfang etwas beruhigen werden, Dir aber nicht wirklich helfen werden, dein Rangordnungsproblem zu lösen. Achte Dich mal auf Folgendes: In gewissen (Not-)Situationen (aus Sicht des Hundes) wirst Du Luna nicht dazu bringen, Dir auch nur einen kleinen Blick zu schenken. Da zeigt sie Dir nicht nur ihren Rang, sondern auch den Deinigen. Nur Ranghöhere erlauben sich Rangniedrigere zu ignorieren. Würde z.B. ein rangniedriger Hund in meinem Rudel sich erlauben, einen Leithund zu ignorieren, so würde der hingehen und ihn zurechtweisen.
Du brauchst also nicht einen Hundetrainer sondern einen Hundehaltertrainer, der Dir die Kommunikation der Hunde aufzeigen kann, damit Du Dir dann auch diese Bindung zum Hund aufbauen kannst, die sich so mancher wünscht, sie zu haben.
Falls Du Dich fragst, woher ich mein Wissen habe… Ich lebe nun seit über 6 Jahren in einem ständig wechselnden Rudel von 10-15 Hunden 24h/365Tage im Jahr und bin quasi mittlerweile selbst schon ein „halber Hund“. Leithunde waren meine besten Lehrmeister.
Ich sage meinen Kunden immer wieder dasselbe: "Müssten wir mit der Zeit nicht auch Probleme bekommen, wenn wir gezwungen wären, mit einem Partner über Jahre zusammenzuleben, wenn wir uns zu mindestens 75% falsch verstanden fühlen würden..?"
Und liebe Leute - bevor nun gleich wieder jemand aufschreit wegen Eigenwerbung - das war ein konstruktiver Beitrag um Euch Ursachen aufzuzeigen, warum wir heute diese vielen Hundeprobleme haben...
Euer Rudelführer