Wie versprochen nun einige Zitate von Thomas Baumann.
Buch:
Mehrhundehaltung, Thomas Baumann, 2012
Dieses Buch hatte ich in Buchhandlungen schon mehrmals in der Hand und ausschnittsweise darin gelesen. Konnte mich aber nie durchringen es zu kaufen, weil ich mich ab den Ausschnitten ehrlich gesagt schon aufregte. :ugly:
S. 73
"... denn einer der grössten Garanten für Unzufriedenheit in einer Gruppe ist das Überstülpen hierarchischer Konzepte, entstanden durch menschliche Denkweisen."
die menschliche Denkweise und Überstülpen von menschlichen Konzepten ist bei der Hundehaltung generell ein grosser Garant für Probleme!
S. 73-74
Alte Denkweise
Baumann beschreibt, dass man früher glaubte, bei mehreren Hunden müsse eine Rangordnung eingeführt werden und diese sollte strikt überwacht und nötigenfalls durchgesetzt werden. Dies um Unruhe zu vermeiden. Der Ranghöhere bekommt also mehr Privilegien (Fressen zuerst, mehr Zuwendung, darf aufs Sofa etc.) und darf vor dem anderen nicht ausgeschimpft werden (das würde ihn in den Augen des Rangniederen schwächen). Irgendwann wird der jüngere Hund entweder selber oder mit Unterstützung des Menschen die höhere Position übernehmen.
Diese Denkweise stammt sicherlich aus der Zeit der diktatorischen Hundeerziehung als man noch mit dem Würger oder Stromhalsband Otto-Normal-Hündeler auf dem Hundeplatz war. Dazwischen haben sich dann doch etliche andere Erkenntnisse ergeben. Das sind immer Umdenkprozesse die sich dann weiterentwickeln. Denken wir da nur an Turid Rugaas mit ihren Calming Signals und wie sich das weiterentwickelt hat.
S. 75-79
Moderne Denkweise
Die alte Rangordnungstheorie hat keinen realen Bezug zum Gruppenleben bei Wölfen und Hunden. In Hundegruppen gibt es einen oder mehrere "Leitfiguren", nämlich den Vierbeiner, der im richtigen Moment souverän koordiniert und die richtigen Entscheidungen trifft. Dies aber nur, wenn es die jeweilige Situation erfordert. Ansonsten kann jedes Mitglied der Gruppe sein Leben leben, ohne mit ständigen Eingriffen rechnen zu müssen.
Nach hierarchischen Prinzipien wird nur dann eingegriffen und reglementiert, wenn ein Mitglied über die Stränge schlägt und sich oder andere in Gefahr bringt.
In einer solchen Gruppe gibt es auch Vierbeiner, die keine Fähigkeiten oder kein Interesse haben, als Leitfigur zu fungieren. Im Normalfall kennt jedes Mitglied seine Funktion und die der anderen.
Abgesehen vom Leithund (Hündin oder Rüde) findet man beim Rest der Gruppe keine Hierarchie! Jeder versucht seinen persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden und jeder interagiert und kommuniziert mit den anderen.
Hierarchische Konzepte würden stören und sich disharmonisch auswirken.
Wenn das immer so wäre, wieso gibt es dann Hundegruppen, wo ein Hund z.B. gemobbt wird und unterdrückt von den Anderen? Nach diesem Zitat gäbe es das ja gar nicht? Wieso ist es so, dass sich in Hundegruppen in Tierheimen Hunde fasst dauerschlafend stellen, damit sie ihre Haut retten oder dies zumindest als ihre Strategie sehen? Weil wir Menschen die Gruppen erzwingen und die Hunde nicht ausweichen können aus dieser erzwungenen Situation und da liegt genau ein grosser Unterschied zu den Wölfen, wo es sich um Familienverbunde handelt. Die wachsen zusammen und neue Mitglieder werden in diese Struktur geboren. Passt da ein Jungspund gar nicht mehr rein, dann wird er vor die Tür gesetzt. Also auch da gibt es Konflikte und Spannungen, die schlussendlich gelöst werden. Unsere Haushunde können dies so nicht lösen.
S. 79
Rangordnung in der Mensch-Hund-Gruppe
Als Erkenntnis für die Mehrhundehaltung kann man herausziehen, dass es so etwas wie einen Anführer braucht. Weitere hierarchische Strukturen sind grundsätzlich nicht nötig, solange jeder seine Grenzen kennt und die Vorgabe von Grenzen durch andere respektiert. Baumann schreibt, dass er nur in wenigen Fällen für ein hierarchisches Konzept plädiert hat.
Der Anführer oder die Leitfigur einer Hundegruppe sollte demnach der Mensch sein. Erfüllt der Mensch diese Aufgabe, geht es mehr um die Organisation und Zuteilung von einzelnen Privilegien als um Rangordnungsbemühungen.
Aber wenn ein neuer Hund dazu kommt, dann muss man ja irgendwie mal die Grenzen vorgeben und genau dort liegt ja der springende Punkt! Das machen die Hunde ja schliesslich auch und wenn da zwei Charaktere zusammenprallen, wo es gefährlich wird, dann muss Mensch eingreifen, weil er auch in der Verantwortung steht, da er die zwei einfach zum Zusammenleben verdonnert hat. Dort sollte Mensch aber auch Anhaltspunkte erhalten, wie soll ich das machen, wie soll ich mich verhalten. Woran erkenne ich wer wie tickt unter meinen Hunden. Wo ist Vorsicht geboten? Und wenn jetzt jemand denkt, ach das ist halt von Fall zu Fall verschieden und sehr individuell, dann stimmt das schon. Nur genau dann muss man sich fragen, weshalb Erziehungsbücher geschrieben werden, weil dann dürfte man kein Erziehungsbuch mehr lesen, weil jedes Lebewesen in jeder Situation Individualität mitbringt. Dann dürfte man gar nichts mehr ohne individuelle Beratung eines Profis machen.
Er sagt natürlich noch viel mehr, das Buch "Mehrhundehaltung" ist schliesslich 285 Seiten dick.
Ich denke, diese Zitate passen ganz gut in die bisherige Diskussion.