Rangordnung in einem Rudel - wie erkennen?

Die Beobachtungen hier decken sich mit vielen von mir gemachten Beobachtungen bei anderen Mehrhundehaltern. Wobei eine starre "Rangordnung" nicht zwingend in jeder Gruppe feststellbar sein muss und schon gar nicht auf alle Ressourcen bezogen. Denn oft sind den Hunden ganz viele Ressourcen auch gar nicht so wichtig, wie wir denken.

Genauso wie auch viele keinen Wert darauf legen, hier und jetzt in der Reihenfolge weiter vorne zu stehen. Es kann aber auch sein, dass (noch) Keiner fähig ist, Führungsverantwortung zu übernehmen.

Als Besitzer muss es uns einfach bewusst sein, dass das Zusammenleben in einer Gruppe ohne eine, für alle einvernehmliche Ordnung, aufreibender sein kann als in einer mit – egal, ob mit oder ohne Leithund.

In einer Gruppe mit einem starken Leithund sind die innerartlichen Strukturen und „Was erlaubt ist und Was nicht“ in der Regel klar und für alle nachvollziehbar festgelegt. Greift hier der Mensch nicht aus menschlichem Gerechtigkeitssinn permanent ein, sondern nur dann, wenn es wirklich nötig ist oder er es als notwenig für sich erachtet, dann gehen die Hunde meist sehr tolerant miteinander um. Immer unter der Voraussetzung, dass die Hunde die hündische Kommunikation gelernt haben und auch genügend Raum zur Einhaltung allfälliger Individualdistanzen haben.

Bei Gruppenstrukturen jedoch, bei denen dieser Leithund fehlt, kann es immer wieder zu Streitigkeiten, Reibereien aber auch Überforderungen kommen. Hier muss der Mensch diese Lücke füllen und wenn nötig lenkend eingreifen. Sei es, um dem Hund, der sich zu viele Freiheiten herausnimmt oder den anderen über die Massen einschränkt, Grenzen aufzuzeigen und den Anderen vor den Übergriffen zu schützen.

Sehr eindrücklich wurde uns das friedliche Zusammenleben einer grösseren Hundegruppe an einem Seminar von Mirjam Cord demonstriert. Es handelte sich dabei um Videoaufnahmen ihrer Hunde, bestehend aus mehreren HSH und Beaglen aus dem Tierschutz, die sich frei im Haus bewegten. Es ging aber auch hier nicht ohne gewisse Sicherheitsvorkehrungen, die z.B. bei Fütterungszeiten und in engen Passagen beachtet werden mussten. Ebenso wenn ein neuer Hund in die Gruppe integriert wurde. Jedoch immer behielt Mirjam die Hauptführung. Und sie entschied auch unabhängig von den Rangfolgen unter den Hunden, wer wann zu ihr kommen und mit ihr was machen darf.

Sie erzählte dabei auch von der Situation, als die Leithündin verstarb und alle gespannt darauf warteten, wer denn nun ihre Stellung einnehmen würde. Am ehesten hätte sie es einer ihrer Beaglehündinnen zugetraut. Aber es stellte sich heraus, dass zum damaligen Zeitpunkt keiner der Hunde, an dieser Aufgabe interessiert war. Wie lange diese Struktur so Bestand hatte, weiss ich leider nicht.

Aber auch wenn die Strukturen und die Führungsaufgaben klar verteilt sind, heisst dies nicht, dass ein Hund nicht auch situativ eine Ressource verteidigen darf. Selbst ein „Rangniederer“ darf einen anderen wegschicken, um z.B. seinen Knochen für sich zu behalten. Günther Bloch zeigt dies in seinen Videos von den Pizzahunden sehr schön. Aber auch, dass der „Ranghöhere“ die besseren Karten hat, sich irgendwo gewaltfrei durchzusetzen, wenn er darauf besteht. Es ist aber ein „Kann“ und nicht ein „Muss“, ohne dass er dabei auch nur ansatzweise an Ansehen verliert, wenn er es nicht macht.

Für uns Menschen, heisst dies, unsere Hunde zu beobachten und dort einzugreifen, wo es notwendig ist, aber auch mal etwas laufen lassen zu lassen, wenn die Gruppe stabil ist. Dabei aber auch im Hinterkopf zu behalten, dass sehr oft nicht der aktivere Teil derjenige ist, der führt, sondern der, der sich ruhig und gelassen alles anschaut. Wie oft erleben es Zweithundhalter zum Beispiel, dass ein Hund vom anderen Hund vorgeschickt wird und alle Trainings mit dem „Vorläufer“ nichts fruchten, weil der Andere ihn immer wieder schickt.

Diese klare Strukturen und Führungsverantwortung des Menschen gelten aber nicht nur beim innerartlichen Zusammenleben.

Und so musste bei uns Jason lernen, ähnlich wie von Disthen bei ihren Hunden beschrieben, dass es nicht seine Aufgabe ist, die Katzen zu begrenzen oder zu stoppen, wenn sie spielen wollten. Genauso wie sie das Recht haben, sich in unserer Nähe oder in der Nähe von Lebensmitteln aufzuhalten.

@Disthen: Zu deinem Bsp. mit den MA. Nicht in jedem Fall möchte der Erfahrenere aber auch die Führungsaufgaben übernehmen bzw. behalten. Im Gegenteil, er ist vielleicht sogar froh, wenn er merkt, dass der Neuzugang das möchte und viel besser könnte als er.

Setzt sich der Chef aber nun permanent über die (ihm vielleicht nicht einmal bekannten) Wünsche und Fähigkeiten seiner MA hinweg und behält die alten Strukturen bei, weil er meint, alles andere sei ungerecht, kann dies genauso zu einem unangenehmen Betriebsklima führen wie umgekehrt.

Wichtig finde ich bei diesem ganzen Thema aber auch, dass man sich auf seine Beobachtungsgabe und sein Bauchgefühl einlässt und ihm vertraut. Und man darf sich auch darüber freuen, wenn eine Gruppe ohne grosse Reibereien zusammenlebt, ohne dass man dabei jeden Moment genau weiss, wer denn nun welche Position einnimmt. Denn sehr oft ist dies auch gar nicht wichtig.

Aber dafür muss man in den Situationen, in denen es wichtig ist, klare Positionen und Führung zu beziehen, dies auch tun.

@Yve: Gibt es denn einen speziellen Anlass dafür, dass du die Frage gestellt hast? Ich hoffe, du konntest aus den vielen Antworten, das Gewünschte herausholen.


Moni

 
Ich beschreib mal meine zwei Ladies, weil ich einfach nicht schlau werde, wer bei uns nun der Boss ist.

Yella, meine alte Oma, ist souverän, lieb und geduldig gegenüber Lexi. Yella erkämpft sich nichts oder grenzt Lexi ein. Yella mag nur ab und zu schmusen, sonst liegt sie am liebsten in einem von drei Körbchen. Sie wechselt diese im Laufe des Tages öfters mal.

Lexi ist eher rüpelhaft, rempelt Yella auch mal seitlich an, wenn sie am gleichen Ort schnüffeln will. Dies ist oft beim Spaziergang der Fall. Ich beobachte dieses Rempeln aber auch bei ihr anderen gut bekannten Hunden. Lexi findet alles interessant und drängt sich dann dazwischen/nach vorne, sofern ich es ihr nicht verbiete.

Beim Füttern warten Beide parallel, kriegen Beide gleichzeitig ihren Napf. Da gab es noch nie Probleme. Auch verstreute Trofus werden friedlich miteinander gesucht und verputzt. Wenn ich ein Trofu beim Spazi zwischen den Beiden fallen lasse, nimmt es die Schnellere ohne dass die andere Probleme macht. Mal gewinnt die eine mal die andere...

Wenn Yella noch an nem Kauzeugs ist und Lexi schon fertig, geht Lexi zu Yella gucken. Yella hält dann ihr Kaudings mit den Pfoten fest, kaut genüsslich weiter und ignoriert Lexi. Lexi zottelt dann wieder ab.
Umgekehrt, geht Yella zu Lexi gucken, knurrt Lexi kurz und Yella zottelt ab.

Draussen läuft Lexi am Liebsten vorne voraus und Yella am Liebsten neben mir oder hinten nach.

Kann mir jemand helfen? Wer ist hier der Boss?

 
Moni: witziger Zufall, wir haben zeitgleich geschrieben und ich habe versucht, meine Frage genauer zu formulieren...denn ich werde aus meinen Zwei einfach nicht schlau.

Da immer wieder betont wird, dass eben diese Rangordnungen für die Hunde wichtig sind, habe ich versucht herauszufinden, wie das bei meinen läuft. Aber iwie habe ich das Gefühl, dass bei meinen Beiden keine Chefin fix gegeben ist.

Mir scheint Yella lebt ihr friedliches Rentendasein und ihr ist es egal wer/was/wo, solange Lexi sie in Ruhe lässt, wenn Yella nix von ihr wissen will. Bei Lexi habe ich das Gefühl, dass sie keinen Führeranspruch begehrt.

So ist dieser Thread entstanden. Weil ich mich frage, sehe ich die Rudelordnung nicht oder ist es möglich, dass es bei uns keine gibt?

 
@Jasy: Super Beitrag! :thumbsup: Es ist so, dass nicht zwingend der erfahrenere Mitarbeiter auch führen will. Deshalb hab ich auch geschrieben, dass immer auch die Charaktereigenschaften auch mitspielen. Es kann auch sein, dass beide Mitarbeiter keinen grossen Ehrgeiz haben, dann muss der Chef aber doch schon wieder mehr führen, weil sonst evtl. nur halbherzig gearbeitet wird. Es gibt da unzählige Möglichkeiten. Mir ging es vor allem darum, dass man mal nachempfindet, wie ätzend und stressig es für Hunde ist, wenn sie dauernd in einer Spannung stehen in ihrer Lebensgemeinschaft (hier Mensch mit eingeschlossen).

Ich glaube auch, dass teils sogar noch Rasseeigenschaften eine Gruppenhaltung erleichtern können oder auch erschweren. Z.B. Beagle als Meutehunde, erlebe ich immer wieder, dass die sich super selber arrangieren untereinander in der eigenen Hundefamilie. Aber die müssen das ja auch mitbringen, denn ein Meutehund ist dazu da eben in einer Meute zu agieren.

@Yve: Es ist auch so, dass Hunde untereinander, man kann sagen, wie abkommen schliessen über gewisse Bereiche und Zuständigkeiten. Dies funktioniert aber nur, wenn die Fronten geklärt sind, die Grundstimmung stimmt und es für die Hunde passt. Und ich denke das ist bei dir der Fall. Deine Hunde vertrauen einander, sie respektieren sich und dann passt es auch.

 
Disthen, danke für deine Einschätzung. Jasy, hat in ihrem Text genau diese Situation auch beschrieben.

Mich hat es einfach etwas verunsichert, dass bei uns keine Rudelhirarchie zu bemerken ist. Dachte mir, ob ich iwie blind dafür bin oder selbst ein zu starker Führer?

Nach euren Antworten, habe ich schlussendlich das Gefühl, dass es an Yella liegt. Diese Hündin ist einfach so sozial, lieb und verständnisvoll. Ich kann jeden Hund ohne Bedenken in unser Haus einladen, direkt hereinbitten und Yella wedelt diesen neuen Gast kurz an oder verhält sich total neutral, als ob dieses Tier schon immer hier dazugehört hat. Da Lexi durch beobachten, viel von Yella kopiert, hoffe ich, dass sie auch mal so sein wird.

 
All diese verschiedenen Hundekonstellationen und eure Beschreibungen, Handelsweisen und Gedanken sind uu spannend. Zeigen aber auch, dass hier soviele Unbekannten aufeinandertreffen, dass jede Konstellation einmalig ist. Auch dass sich ein Rudel von stabil bei einer kleinen Änderung in eine andere Richtung kippen kann.

Ich bin froh, dass es bei uns so einfach und reibungslos klappt. Ich glaube, wenn ich immer aufpassen oder eingreifen müsste, wäre ich überfordert oder längerfristig unglücklich.

Da ich bei meinen keine Reibereien oder Unstimmigkeiten beobachten kann, hatte ich mich auch gefragt, ob ich das einfach nicht sehe...betriebsblind oder so. Auch aus diesem Grund habe ich diesen Thread eröffnet, weil ich gerne wüsste, wo/wie/wann ihr Unstimmigkeiten bemerkt und wie ihr dann eingreift?

Die einzigen, anfänglichen Situationen, bei denen ich Lexi nett und klar die Grenzen aufzeigte, waren folgende:
- wenn ich mit Yella schmuse, hat Lexi zu warten. Ein Vordrängeln dulde ich nicht.
- Futternäpfe von Yella/Lexi sind gegenseitig tabu solange daraus gefressen wird. Wenn Yella/Lexi fertig sind, darf auch der andere Napf inspiziert und noch ausgeschleckt werden.
- Yella wird nicht dauernd angerempelt oder weggeschubst

Was müsst/musstet ihr regeln?

PS: soeben ist mir aufgefallen, dass in unserem Rudel die Katzen der Boss sind :rofl:

 
ich musste, auch wenns unglaublich klingt, nie etwas regeln. nastassja war erst 15 monate alt als die welpen kamen und die kamen zu zweit... sie knurrte ein einziges mal als jendayi an ihren vollen napf wollte und das war am ersten abend und jendayi war grad wochen. daraus lässt sich ev. schliessen was jendayi für ein welpe war und wie sie heute ist... ;) das hat gereicht. es käme keiner in den sinn an nastassjas napf zu gehen. meine haben ihre ordnung und die wird eingehalten: jeder isst aus seinem napf. jendayi isst zu 90% nicht fertig und läuft weg wenn sie nicht mehr will. dann geht dawn (die ihren napf nahezu leer gegessen hat aber noch nicht ausgeschleckt) sofort zu jendayis napf und isst fertig. nastassja ist längst fertig und steht da als hätte sie arthrose und wartet bis dawn an jendyis napf ist, dann geht sie sofort ans dawns napf und schlecht den noch sauber aus. so läuft das strikt bei jeder mahlzeit. es gibt kein gedränge, keine unruhe und niemand knurrt irgendwen an. selbst die katzen haben beriffen, dass nastassjas napf tabu ist. dort bin ich aber anfangs daneben gestanden bis ich sicher wusste, dass nastassjas eingreifen im normalen rahmen ist. so sind viele dinge bei uns, es hat sich eingependelt und keine ist frech oder versucht, zu schauen ob der andere wohl irgendwie zu knacken sei.
nastassja war auch nie zu grob für die welpen und jendayi obwohl winzig klein gegen die barsois kam nie drunter. sie waren manchmal wild, sie rannten, sie spielten auch mal stürmischer aber nie war eine verletzt wegen einer andern. jendayi ist allerdings ein hardcorewhippet die es auch mit einem rudel hounds aufnimmt wenn nötig. nastassja toleriert wenn sie bei markus liegt keine katzen auf seinem bett. anfangs dachte ich auch, hier greife ich ein, aber ich hab mich dann anders entschieden. sie darf in der situation und wirklich nur in der und nur auf seinem bett, die katzen verscheuchen. sie steht dazu nicht mal auf. würde sie das auf dem sofa oder meinem bett tun, würde sie runterfliegen. ihr verhalten zeigt mir aber klar, dass sie die katzen als rudelgenossen ansieht und nicht als potentielle beute.
ich glaube, es wäre mir zu anstrengend, jeden tag "den boss" markieren zu müssen und ständig auf der hut zu sein, dass sie untereinander keinen krieg führen und sich nicht in die haare kriegen. dann hätte ich lieber kein rudel.

 
Ich muss hier auch nichts regeln. Keiner der beiden Mädels hat eine Ressource, die sie verteidigen würden gegen die Andere und so sollte es meiner Meinung nach auch sein.

Allerdings lasse ich meine Hunde auch miteinander kommunizieren und unterbreche nicht jede Kommunikation sofort. Und meistens reicht 1x eine Kommunikation und es ist geklärt. Dabei werden meine aber eh nie körperlich untereinander. Alles läuft rein verbal und mit Körpersprache ab.

 
Wie versprochen nun einige Zitate von Thomas Baumann.

Buch:
Mehrhundehaltung, Thomas Baumann, 2012

S. 73
"... denn einer der grössten Garanten für Unzufriedenheit in einer Gruppe ist das Überstülpen hierarchischer Konzepte, entstanden durch menschliche Denkweisen."

S. 73-74
Alte Denkweise
Baumann beschreibt, dass man früher glaubte, bei mehreren Hunden müsse eine Rangordnung eingeführt werden und diese sollte strikt überwacht und nötigenfalls durchgesetzt werden. Dies um Unruhe zu vermeiden. Der Ranghöhere bekommt also mehr Privilegien (Fressen zuerst, mehr Zuwendung, darf aufs Sofa etc.) und darf vor dem anderen nicht ausgeschimpft werden (das würde ihn in den Augen des Rangniederen schwächen). Irgendwann wird der jüngere Hund entweder selber oder mit Unterstützung des Menschen die höhere Position übernehmen.

S. 75-79
Moderne Denkweise
Die alte Rangordnungstheorie hat keinen realen Bezug zum Gruppenleben bei Wölfen und Hunden. In Hundegruppen gibt es einen oder mehrere "Leitfiguren", nämlich den Vierbeiner, der im richtigen Moment souverän koordiniert und die richtigen Entscheidungen trifft. Dies aber nur, wenn es die jeweilige Situation erfordert. Ansonsten kann jedes Mitglied der Gruppe sein Leben leben, ohne mit ständigen Eingriffen rechnen zu müssen.
Nach hierarchischen Prinzipien wird nur dann eingegriffen und reglementiert, wenn ein Mitglied über die Stränge schlägt und sich oder andere in Gefahr bringt.
In einer solchen Gruppe gibt es auch Vierbeiner, die keine Fähigkeiten oder kein Interesse haben, als Leitfigur zu fungieren. Im Normalfall kennt jedes Mitglied seine Funktion und die der anderen.
Abgesehen vom Leithund (Hündin oder Rüde) findet man beim Rest der Gruppe keine Hierarchie! Jeder versucht seinen persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden und jeder interagiert und kommuniziert mit den anderen.
Hierarchische Konzepte würden stören und sich disharmonisch auswirken.

S. 79
Rangordnung in der Mensch-Hund-Gruppe
Als Erkenntnis für die Mehrhundehaltung kann man herausziehen, dass es so etwas wie einen Anführer braucht. Weitere hierarchische Strukturen sind grundsätzlich nicht nötig, solange jeder seine Grenzen kennt und die Vorgabe von Grenzen durch andere respektiert. Baumann schreibt, dass er nur in wenigen Fällen für ein hierarchisches Konzept plädiert hat.
Der Anführer oder die Leitfigur einer Hundegruppe sollte demnach der Mensch sein. Erfüllt der Mensch diese Aufgabe, geht es mehr um die Organisation und Zuteilung von einzelnen Privilegien als um Rangordnungsbemühungen.


Er sagt natürlich noch viel mehr, das Buch "Mehrhundehaltung" ist schliesslich 285 Seiten dick. ;) Ich denke, diese Zitate passen ganz gut in die bisherige Diskussion.

 
Bei uns läuft das auch recht ruhig ab, keine geht an der anderen Napf, geschmissene Guddis werden von der anderen nicht gefressen wenn ich sie mit dem dazugehörigen Namen schmeisse. Ins Auto einsteigen, zur Tür hinaus ect. da geht eigentlich immer Sunny vor, Venia reiht sich hinten an. Einzig wenn es Aktion gibt und es wilder zu und her geht wird auch Venia eher ungestüm und möchte Sunny eingrenzen. Weil ich das nicht will stelle ich sie da in den Senkel.
Sonst ist das bei uns eigentlich auch unspektakulär...Bei uns hats zwischen den beiden auch noch nie geklepft, über die Rangordnung mache ich mir eigentlich keine Gedanken weils bis anhin keine Anzeichen gab das ich das müsste...

 
Wie versprochen nun einige Zitate von Thomas Baumann.

Buch:

Mehrhundehaltung, Thomas Baumann, 2012

Dieses Buch hatte ich in Buchhandlungen schon mehrmals in der Hand und ausschnittsweise darin gelesen. Konnte mich aber nie durchringen es zu kaufen, weil ich mich ab den Ausschnitten ehrlich gesagt schon aufregte. :ugly:

S. 73

"... denn einer der grössten Garanten für Unzufriedenheit in einer Gruppe ist das Überstülpen hierarchischer Konzepte, entstanden durch menschliche Denkweisen."

die menschliche Denkweise und Überstülpen von menschlichen Konzepten ist bei der Hundehaltung generell ein grosser Garant für Probleme!

S. 73-74

Alte Denkweise

Baumann beschreibt, dass man früher glaubte, bei mehreren Hunden müsse eine Rangordnung eingeführt werden und diese sollte strikt überwacht und nötigenfalls durchgesetzt werden. Dies um Unruhe zu vermeiden. Der Ranghöhere bekommt also mehr Privilegien (Fressen zuerst, mehr Zuwendung, darf aufs Sofa etc.) und darf vor dem anderen nicht ausgeschimpft werden (das würde ihn in den Augen des Rangniederen schwächen). Irgendwann wird der jüngere Hund entweder selber oder mit Unterstützung des Menschen die höhere Position übernehmen.

Diese Denkweise stammt sicherlich aus der Zeit der diktatorischen Hundeerziehung als man noch mit dem Würger oder Stromhalsband Otto-Normal-Hündeler auf dem Hundeplatz war. Dazwischen haben sich dann doch etliche andere Erkenntnisse ergeben. Das sind immer Umdenkprozesse die sich dann weiterentwickeln. Denken wir da nur an Turid Rugaas mit ihren Calming Signals und wie sich das weiterentwickelt hat.

S. 75-79

Moderne Denkweise

Die alte Rangordnungstheorie hat keinen realen Bezug zum Gruppenleben bei Wölfen und Hunden. In Hundegruppen gibt es einen oder mehrere "Leitfiguren", nämlich den Vierbeiner, der im richtigen Moment souverän koordiniert und die richtigen Entscheidungen trifft. Dies aber nur, wenn es die jeweilige Situation erfordert. Ansonsten kann jedes Mitglied der Gruppe sein Leben leben, ohne mit ständigen Eingriffen rechnen zu müssen.

Nach hierarchischen Prinzipien wird nur dann eingegriffen und reglementiert, wenn ein Mitglied über die Stränge schlägt und sich oder andere in Gefahr bringt.

In einer solchen Gruppe gibt es auch Vierbeiner, die keine Fähigkeiten oder kein Interesse haben, als Leitfigur zu fungieren. Im Normalfall kennt jedes Mitglied seine Funktion und die der anderen.

Abgesehen vom Leithund (Hündin oder Rüde) findet man beim Rest der Gruppe keine Hierarchie! Jeder versucht seinen persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden und jeder interagiert und kommuniziert mit den anderen.

Hierarchische Konzepte würden stören und sich disharmonisch auswirken.

Wenn das immer so wäre, wieso gibt es dann Hundegruppen, wo ein Hund z.B. gemobbt wird und unterdrückt von den Anderen? Nach diesem Zitat gäbe es das ja gar nicht? Wieso ist es so, dass sich in Hundegruppen in Tierheimen Hunde fasst dauerschlafend stellen, damit sie ihre Haut retten oder dies zumindest als ihre Strategie sehen? Weil wir Menschen die Gruppen erzwingen und die Hunde nicht ausweichen können aus dieser erzwungenen Situation und da liegt genau ein grosser Unterschied zu den Wölfen, wo es sich um Familienverbunde handelt. Die wachsen zusammen und neue Mitglieder werden in diese Struktur geboren. Passt da ein Jungspund gar nicht mehr rein, dann wird er vor die Tür gesetzt. Also auch da gibt es Konflikte und Spannungen, die schlussendlich gelöst werden. Unsere Haushunde können dies so nicht lösen.

S. 79

Rangordnung in der Mensch-Hund-Gruppe

Als Erkenntnis für die Mehrhundehaltung kann man herausziehen, dass es so etwas wie einen Anführer braucht. Weitere hierarchische Strukturen sind grundsätzlich nicht nötig, solange jeder seine Grenzen kennt und die Vorgabe von Grenzen durch andere respektiert. Baumann schreibt, dass er nur in wenigen Fällen für ein hierarchisches Konzept plädiert hat.

Der Anführer oder die Leitfigur einer Hundegruppe sollte demnach der Mensch sein. Erfüllt der Mensch diese Aufgabe, geht es mehr um die Organisation und Zuteilung von einzelnen Privilegien als um Rangordnungsbemühungen.

Aber wenn ein neuer Hund dazu kommt, dann muss man ja irgendwie mal die Grenzen vorgeben und genau dort liegt ja der springende Punkt! Das machen die Hunde ja schliesslich auch und wenn da zwei Charaktere zusammenprallen, wo es gefährlich wird, dann muss Mensch eingreifen, weil er auch in der Verantwortung steht, da er die zwei einfach zum Zusammenleben verdonnert hat. Dort sollte Mensch aber auch Anhaltspunkte erhalten, wie soll ich das machen, wie soll ich mich verhalten. Woran erkenne ich wer wie tickt unter meinen Hunden. Wo ist Vorsicht geboten? Und wenn jetzt jemand denkt, ach das ist halt von Fall zu Fall verschieden und sehr individuell, dann stimmt das schon. Nur genau dann muss man sich fragen, weshalb Erziehungsbücher geschrieben werden, weil dann dürfte man kein Erziehungsbuch mehr lesen, weil jedes Lebewesen in jeder Situation Individualität mitbringt. Dann dürfte man gar nichts mehr ohne individuelle Beratung eines Profis machen.

Er sagt natürlich noch viel mehr, das Buch "Mehrhundehaltung" ist schliesslich 285 Seiten dick. ;) Ich denke, diese Zitate passen ganz gut in die bisherige Diskussion.
Dies einfach noch so meine Gedanken und Meinungen zu diesen Zitaten. Ich habe allgemein Mühe mit Experten die zwar sicherlich ein sehr grosses Wissen haben und sich auch von der Verhaltenspsychologie her sehr gut auskennen. Nur ist Otto-Normal-Hundehalter kein Verhaltenspsychologe und braucht irgendwo greifbare Ansätze, die er auch umsetzen kann. Das find ich z.B. bei Bloch gut, denn der schafft diesen Spagat zwischen Analyse/Forschungserkenntnissen und die Umsetzung in den "Alltag".

 
Auf das Thema "Rezepte" geht er auch ein. ;) Mag aber nicht mehr zitieren heute...
Auch auf das Zusammenführen von Hunden und wann der Mensch eingreifen sollte geht er ein. Ebenso thematisiert er, was zusammen passt und was nicht.

Und ja, ich finde die meisten Erziehungsbücher nutzlos, aber das ist ein anderes Thema.


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also ich persönlich finde es sehr schwierig zu entscheiden wann man als Mensch eingreifen muss/sollte und wann nicht.

Als Nacho am Tag von Sarion's Einzug mal heftig den Tarif durchgegeben hat, hab ich panisch und sehr heftig eingegriffen- dabei sollte man doch meinen das ich meinen eignen sonst sozialen und im Kopf "sauberen" Hund besser einschätzen könnte.

In dem Moment setzte bei mir einfach das logische Denken aus... :ugly:

Rückblickend glaube ich, dass Nacho wesentlich zur Erziehung von Sarion beigetragen hat und mir so ne Menge Arbeit und Probleme erspart geblieben sind.

 
Rückblickend glaube ich, dass Nacho wesentlich zur Erziehung von Sarion beigetragen hat und mir so ne Menge Arbeit und Probleme erspart geblieben sind.
Das sehe ich auch so, ich bin sehr froh, dass Sunny mir bei der Erziehung des Beuteltieres geholfen hat und ich finde man merkt heute an Venia`s ganzer Art schon in vielen Sachen, dass da noch andere Rasseeigenschaften zur Erziehung beigetragen haben...

 
nastassja hat mir sicher nicht "geholfen" bei der erziehung. sie massregelte nicht, sie msichte sich nicht ein, aber immerhin konnte sie ihnen auch keinen blödsinn vormachen, einfach weil sie kaum welchen produzierte. sie zeigte ihnen das jagen nicht (dawn fand das ganz alleine raus...aber ich möchte nicht wissen wie sie wäre, wenn sie mit einem jagdambitionierten hund gross geworden wäre), sie hatte keine ängste und sie vertrug sich bedingungslos mit jedem hund (damals noch). das alleine trug sicher schon zur erziehung bei. aber aktiv miterzogen wie das andere tun, das hat sie nicht.

 
meine 2 haben eigentlich keine eindeutige rangordnung... sie komunizieren einfach untereinander, eingreiffen muss ich da nie.
man merkt es nur wens z.b ums futter geht.
geht kira zu june an den napf dreht june ab und lässt es kira fressen.
beim spielzeug hat auch kira den vorrang.
june überlässt ihr so ziemlich alles. ;-)
ausser ihren liegeplatz, kommt da kira an wird kurz geknurrt und kiri dreht ab.

also sauber und ruhig :)
ich mach mir ehrlich gesagt auch nicht so grosse gedanken!

es klappt einfach...

kira hat mir auch sehr geholfen bei der erzihung von June, da bin ich sehr froh drüber :D

 
Ich glaube, dass wir gar nicht immer mitkriegen, wenn ein Hund den anderen Hund "erzieht/massregelt", weil das auf so feinen Bahnen abläuft oder einfach auch sehr schnell wechselndes Verhalten sein kann. Erst wenns heftiger tönt oder die Mimik länger dauert, sehen auch wir das da etwas abläuft. (Berühmteste Missverständnisse bei einer Rauferei. Oft ist nicht der Hund, welcher knurrt und auf den anderen losspringt der "Böse", sondern er antwortet auf die provozierende Anmache des anderen Hundes. Nur wir sehen meist erst den knurrenden Rebellen.)

Yella hat eine sehr feine, souveräne und freundliche Kommunikationsart, so dass sie bis heute Lexi nie verbal oder heftig korrigieren musste. Hätte ich nicht genau hingeschaut, wären mir manche Nuancen entgangen. Dies funktioniert natürlich auch so gut, weil Lexi sehr sensibel auf Yellas Botschaften reagiert und entsprechend richtig handelt. Umgekehrt funktioniert dies genauso. Ich mag es den Beiden zuzusehen. Nur wünschte ich mir, das Ganze in Zeitlupe betrachten zu können, weil ich denke, dass ich uu viele Nuancen verpasse.

Mit diesem Wissen bin ich mir sicher, dass Yella viel Positives an Lexis Verhalten bewirkt und ihr geholfen hat, mehr Sicherheit zu gewinnen. Nur weil wir augenscheinlich nix mitbekommen, heisst das noch lange nicht, dass keine Kommunikation zwischen den Hunden läuft, welche das Verhalten beeinflusst.
Dies lässt sich einfach prüfen, wenn man mit jedem Hund einzeln spazieren geht.

Letztes interessantes Beispiel bei mir: ich habe mit Lexi den Agi-Slalom via 2*2 Methode aufgebaut. Yella war die ganze Zeit nur Zuschauer. Als ich dann mit Yella den Slalomaufbau starten wollte, zeigte mir Yella beim ersten Versuch einen schönen Slalomdurchlauf.

 
Ich glaube, dass wir gar nicht immer mitkriegen, wenn ein Hund den anderen Hund "erzieht/massregelt", weil das auf so feinen Bahnen abläuft oder einfach auch sehr schnell wechselndes Verhalten sein kann.

Nur weil wir augenscheinlich nix mitbekommen, heisst das noch lange nicht, dass keine Kommunikation zwischen den Hunden läuft, welche das Verhalten beeinflusst.
ich denke hier genau gleichermassen. die hunde kommunizieren eigentlich ständig miteinander, nur wir bekommen es gar nicht mit. dazu kann kurzer blickkontakt bereits genügen.

und genau hier bereits verständigen sich die hunde.

ich beobachte dies ebenso und wenn man ganz bewusst einfach mal nur rumsitzt und den hunden ganz genau zusieht sehen wir auch kleine nuancen.

am besten natürlich wirklich man würde es aufnehmen und sich nochmals genau ansehen. unglaublich was man da teils in videos zu sehen bekommt, was uns ansonsten total entgeht, da dies oft eben nur bruchteile von sekunden dauert.

 
Nur kurz zum filmen, ich brauche viel das App. Coach's Eye, das ist supertoll, man kann jede Kleinigkeit sehen, wer Zeitlupe genau betrachten möchte mit Stop und Bildmodus ist da perfekt bedent!


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