Eine kleine Geschichte.. Es sprach der Mann mit Hut und Bart

Rebecca

Erfahrener Benutzer
19. Nov. 2008
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Um es gleich vorweg zu nehmen, ich werde den Namen des Referenten nicht nennen. Ich mach es genau so, wie ich es gestern Abend gelernt habe. Beschreibe die Person so gut, dass sie jeder erkennt, aber nenne um Himmels Willen keine Namen ;)

Die folgende Geschichte ist, ausdrücklich, mein persönliches Erlebnis, welches ich euch unbedingt mitteilen möchte. Und Achtung, ich hab viel zu erzählen.

Der Abend fing gut an. Rechtzeitig am Vortragsort eingetroffen, sofort Parkplatz gefunden, noch eine gequalmt und am Empfang erwartete uns schon eine Teilnahmebestätigung. Nachdem wir uns mit Getränken eingedeckt hatten, begann der Vortrag mit einer Viertelstunde Verspätung. Mich erwarte ein interessantes Thema, bei dem ich von Hunden und Wölfen lernen sollte. Schreibmaterial lag bereit, denn ich wollte sicher sein, das ich nichts vergesse.

"Ich habe schon seit über 20Jahren die Sprache der Wölfe dekodiert, mit zig Tausend Hunden trainiert und weiss daher, dass sich Hunde keine Befehle geben, sie können sich nur abgrenzen"

So begann die Rede des Referenten, der ganz im jagdlichen Outfit da vorne auf der Bühne stand. Nun hatte er mein Interesse geweckt, klang echt vernünftig und logisch. In freudiger Erwartung hing ich an seinen, mit Schnauzer bedeckten, Lippen.

" Hunde müssen auf Instinktebene angesprochen sein, um geleitet zu werden. Der ganze Clickerscheiss ist nichts für Hunde. Das reicht höchstens für ein paar wenige Tricks."

Hoppla, hatte ich mich grad verhört, das böse Sch... Wort und dann noch im Zusammenhang mit Clicker. DAS versprach ein äusserst interessanter Abend zu werden. Passend zum Kraftausdruck steigerte sich auch die Lautstärke seiner Stimme. Irgendwie war ich davon so beeindruckt, dass ich den Sprung zur Qualzucht verpasste.

"Der VDH ist absolut unfähig! " War dann der nächste lautstarke Kommentar, nachdem er eigentlich recht Unterhaltsam das Röcheln eines Hundes nachahmte und dabei hin und her lief, damit es alle gut sehen konnten.

Irgendwie schien ich doch ein bisschen Müde zu sein, denn ich sah keinen Zusammenhang zum eigentlichen Themenabend. Es fielen noch weitere Schlagworte wie: Kopfhunde- Meutehunde, Futter abnehmen durch Tauschgeschäfte usw.

Nach einer weiteren Weile dann doch endlich, Projektor an und los gings. Stramm sass ich auf meinem Stühlchen, lugte über die Schulter meines Vordermannes und ... lümmelte mich gleich wieder auf der Sitzgelegenheit hin. DEN Film kannte ich schon. Anfa und Grosskopf sind ja schliesslich schon eine Weile rechte Berühmtheiten.

Vergessen Sie bitte die gesprochenen Kommentare zu dem Film, die sind Mist“

Schwups..und schon sass ich wieder aufrecht. Wieder recht interessant zog der Mann mit Hund und Bart, den Bogen von den Fiepslauten der Wolfswelpen zu Quietsch-Spielzeug, man könne diese Töne den Welpen als Lockruf an konditionieren, da sie die Fiepslaute ja kennen. Hmm… also doch Kondition. Fleissig war ich am mitschreiben um ja keine wichtige Info zu verpassen.

„In den ersten 14 Lebenswochen wird ein soziales Regelwerk geschaffen, das dem sozialen Miteinander dient“ ja, ja, ja, brav nickte ich zustimmend mit den anderen Zuschauern im Takt.

Darum ist es eigentlich gut, wenn Welpen mit 6 Wochen abgegeben würden, dann orientieren sie sich am sozialen Regelwerk bei ihren Menschen. Aber keinesfalls dann mit dem Welpen in eine Scheiss- Welpenschule gehen, denn dort wird der Welpe versaut wegen der Gruppendynamik.“

In dem Moment spürte ich wie meine Augenlieder an den Augenbrauen anstanden. WOW, das hatte ich definitiv nicht gewusst.

Vor Jahren kam der Boom auf, erwachsene Hunde in Welpengruppen rein zu setzen. Kopfhunde gehen dann dazwischen und splitten die Kleinen. Wer zwingt denn seinen Kopfhund immer dazu? Das ist Instinktverhalten, der kann sich dagegen nicht wehren.“

OK soweit ist die Botschaft auch bei mir angekommen. Kopfhunde sind dann irgendwie die Leader… demzufolge wären die Meutehunde das Pack.

Aber was hatte ich da noch vernommen? Splitten? Aber weiter ging`s mit Kommentaren wie: Niemals einen Welpen anlocken, Aufmerksamkeit muss vom Hund erbettelt werden, denn wir verteilen diese Ressource. Beschützen schafft Vertrauen. Man muss durch Abhängigkeit und soziale Fürsorge binden.

Wir stellen den Hunden den ganzen Tag Futter zur Verfügung. Das macht den Hund nicht abhängig und er beginnt diese Ressource zu verteilen. Futter hinstellen heisst: soziale Strukturen unterbrechen weil Ressourcen nicht verwaltet werden.“

Das kannte ich auch schon, allerdings von einem anderen, meist auch weidmännisch angezogenem Hundeversteher.

....

 
..Anfa im Video fütterte derweil gelassen ihre Welpen, die nun schon ein bisschen grösser waren. Die Erläuterungen zu den Szenen auf der Leinwand wurden weniger und ich genoss es die kleinen Wollknäuel wieder mal zu sehen. Grad knabberte ein kleiner Wolf vorsichtig an Mamas Futterstückchen…

„Da ! DA! SEHEN SIE DAS!

So erschrocken ob des Gebrülls sah ich erst mal gar nichts, da ich dummerweise meine Cola fast inhaliert hatte. Aber das war weniger schlimm, denn die folgende Szene wurde netterweise zig Mal in Zeitlupe wiederholt.

„Das ist der Schnauzengriff!!! Sehen sie das! „

Klar hatte ich das gesehen, sogar mein Tischnachbar riss erschrocken seine müden Lider auf und starrte gebannt auf die Leinwand. Mehr noch aber als Anfa, faszinierte mich der Referent, keine 30cm vor dem Standbild. Ein strahlen ging über sein Gesicht, aufgeregt sprang er hin und her. Zeigte mit seinen Händen, wie das zu bewerkstelligen sei, so ein richtiger Schnauzengriff.

„Ein Schnauzengriff heisst: HAU AB! Wenn der Halter seine Ruhe will muss er den Schnauzengriff anwenden und den Hund wegdrücken/wegschieben. Das ist keine Reglementierung sondern Kommunikation“

Anfa`s Welpe hat`s wohl auch so verstanden, denn der lag jetzt auf dem Rücken.

„Ein Welpe muss lernen sich einzufügen. Man muss ihm Grenzen setzen. Ein Blick muss genügen und er muss sich auf den Rücken drehen.“

Es gibt Hunderassen, die haben die genetische Disposition sich NICHT auf den Rücken zu drehen, Terrier zum Beispiel“

Es gibt ganz bestimmte Punkte am Hals, wenn man diese aktiviert, lernt der Hund sich auf den Rücken zu drehen.“

Mein Referent blühte auf, sein Redefluss war so schnell, dass ich mit meiner Schreiberei fast nicht mehr mithalten konnte. Just in dem Moment, als ich wieder zu ihm blicken konnte, sprang er mit einem Brüllen und hochgerissenen Händen auf die Leute in der ersten Reihe zu.

„Wenn man nach Überzeugung riecht, kann man so einen Hund dazu bringen, sich auf den Rücken zu drehen und vielleicht pieselt er sich dann auch an“

Grinsend wendete er sich von den Leuten wieder ab und ich wiederstand tapfer der Versuchung, unter die Stühle zu gucken, nur um zu sehen ob dies bei den Leuten wohl auch so funktionierte.

Die Nase löst ein Verhalten aus! Es ist der Geruch! Es gibt so ein Buch, das Ausdruckverhalten der Hunde, das ist Mist! Es ist der Geruch. Hunde riechen was läuft. Ausdruckverhalten und Bewegung ist nicht wichtig. Hunde riechen im Dunkeln was Sache ist! „

Immer mehr läuft der Mann mit Hund und Bart in Hochform auf. Er springt umher und freut sich ob seiner Erkenntnis währendem ich langsam ins Grübeln komme. Wenn denn der Geruch der einzige Informationsträger für Hunde ist, kann ich das jemals kontrollieren? Ist es überhaupt verifizierbar? Ist ein Mensch überhaupt dazu in der Lage über diesen Weg mit Hunden zu kommunizieren? Ist ja schön und gut, so eine Theorie zu haben, die niemand wiederlegen kann. Ja,ja, da soll mir mal jemand das Gegenteil beweisen.

Diesen ganzen Calming Signals Scheiss könnt ihr vergessen. Da wird im Bogen gelaufen, sich abgewandt, gegähnt und geblinzelt. Das nützt alles einen Scheiss, wenn ihr nicht nach Überzeugung riecht, wird es so oder so nichts!

Das viel mir nun am eigenen Leibe auf. Verzweifelt hatte ich die letzten 20 Minuten auf die Uhr geschaut, hatte mich mit hilfesuchendem Blick an die Helferin gewandt, war unruhig auf meinem Sitz herumgerutscht und hatte diskret die Schweissperlen auf meiner Stirn abgewischt. Wo war denn die versprochene Pause? Ich stand kurz vor einem Blasenplatzer. Musste ich nun eine Duftmarke setzen? War ich in meiner Not zu wenig überzeugend?

Meine Konzentration war dahin und ich war nur noch in der Lage, Stichwortartig aufzuschreiben.

Ein schnelles „Patsch“ an den Kopf mit einem entsprechenden Laut; so springt der Hund seinen Halter nicht mehr an.

„Es gibt gefühlsärmere Hunde wie zB. Labbis, die spüren nicht mal die Leine übern Arsch gezogen“

„ Beisshemmung ist im Hund angelegt, man muss darauf achten dass sie nicht aufgelöst wird. Der Hund muss wissen, dass ein Verhalten unter Umständen weh tut“

„Man muss Überlegenheit demonstrieren. Immer, 24 Stunden am Tag! Wie sollen Hunde wissen, dass sie uns nicht in Frage stellen, wenn wir ihnen nicht zeigen, dass man uns nicht in Frage stellt“

„Wenn der Welpe nicht lernt, sich auf einen Nackenstoss von Ihnen auf den Rücken zu legen, so braucht er einen erwachsenen Hund, der ihm das kommuniziert.“

Und dann kam ein Thema zu Sprache, dass mich sogar meine gleich platzende Blase vergessen liess. Hatte ich mich doch unlängst in einer Diskussion zu diesem Thema beteiligt.

Das Spiel der Hunde!

„Hunde spielen aus Jux und Tollerei, um fürs Überleben zu lernen, der Selbsterfahrung Willen und um Selbstbewusstsein aufzubauen“

Ich war schon leicht misstrauisch, konnte dem soweit aber überhaupt nicht wiedersprechen.

„Hunde spielen weitaus komplexer als Wölfe. Instinktmuster werden innert Sekunden abgerufen“

Kann so sein, hatte bis dahin noch nichts davon gehört oder wieder vergessen.

„ Erwachsene Hunde die sich nicht kennen, können nicht miteinander spielen. Da weder Status noch Ressourcen geregelt sind“

Ja, ja, das wusste ich. Machte ja alles auch Sinn. Ich harrte der Kernaussage.

Es ist so, dass überhaupt kein erwachsener Hund spielt! Es geht immer um Ressourcen. Erwachsene Hunde die spielen sind krank im Kopf, ein Produkt falscher Zucht oder falscher Sozialisation, denen wurde ihr Instinktverhalten genommen!“

Das war`s? Das war die ganze Erklärung? Wow, ich war so verblüfft, das ich fast übersehen hatte, dass endlich die lang, lang ersehnte Pause begann.

Fortsetzung folgt… morgen :D

 
Ooooch aber doch nicht erst morgen :ugly: hach immerhin war der gestrige Abend *räusper* unterhaltsam :escape:

 
Sehr spannend zum lesen :thumbsup:

Es nähme mich doch wunder wer der Referent war ?(

 
Hallo Rebecca,

Du hast ja hammermässig geschrieben! Köstlich :D ! Und die Aussagen sind ja echt haarsträubend... Dann sehe ich das richtig, der Typ ist Fan von Gewalt am Hund (Leine über den Arsch ziehen ect. :( )? Was redete das Publikum untereinander nach dem Vortrag und wo war der?

Grüessli

 
@rebecca: kann es sein, dass du am mittwoch abend im kanton thurgau warst... und der referent herr F... hiess?
meine freundin ging in der pause nach hause... :escape: ich habe daher nur den ersten teil des vortrags wiedergegeben bekommen... gut kann ich jetzt noch alles lesen...

 
[QUOTE='Troll]nee, Rebecca, das kannste jetzt echt nicht machen - weiter bitte ;) Hab nämlich ab dem hier Erwachsene Hunde die spielen sind krank im Kopf, ein Produkt

falscher Zucht oder falscher Sozialisation, denen wurde ihr

Instinktverhalten genommen!“ fast den Tee an den Bildschirm gespuckt :ugly: Hab vorhin eine Stunde lang zwei psychisch kranke, falsch gezüchtete und sozialisierte erwachsene Hunde beim ausgelassenen ausgeglichenen Tollen beobachtet, war so herrlich zu sehen.... Und spannend, da meiner sich bei diesem Hund, einer recht neuen Bekanntschaft, Sachen gefallen lässt, völlig entspannt ist und sich sogar hinwirft, damit der andere an ihm rumkauen kann - bin total fasziniert, möchte das mal versuchen zu filmen. Am Schluss lagen die beiden in der Wiese und haben Maulspiele gemacht - so krank :thumbsup:
[/QUOTE]Da hilft nur noch Schnauzengriff und Leine über den A... ziehen! Himmel noch mal!!!!! :ugly:
 
[QUOTE='Melodie]Da hilft nur noch Schnauzengriff und Leine über den A... ziehen! Himmel noch mal!!!!! :ugly:
[/QUOTE]das hilft doch alles nichts, einschläfern die kranken viecher! :evil: :evil:

 
[QUOTE='Pixel-Paws]das hilft doch alles nichts, einschläfern die kranken viecher! :evil: :evil:
[/QUOTE]Neee *patsch* mit der flacehen Hand auf den kopf und hoffend dass sich sich Hirnzellen wieder sortieren :ugly:
@Conny jein, gleicher Typ, anderer Ort und anderes Thema wobeiich bis zum schluss nicht drauf kan wie der Titel es Themenabends zum Inhalt passte :thumbsup:

 
[QUOTE='Troll]nee, Rebecca, das kannste jetzt echt nicht machen - weiter bitte ;) Hab nämlich ab dem hier Erwachsene Hunde die spielen sind krank im Kopf, ein Produkt

falscher Zucht oder falscher Sozialisation, denen wurde ihr

Instinktverhalten genommen!“ fast den Tee an den Bildschirm gespuckt :ugly: Hab vorhin eine Stunde lang zwei psychisch kranke, falsch gezüchtete und sozialisierte erwachsene Hunde beim ausgelassenen ausgeglichenen Tollen beobachtet, war so herrlich zu sehen.... Und spannend, da meiner sich bei diesem Hund, einer recht neuen Bekanntschaft, Sachen gefallen lässt, völlig entspannt ist und sich sogar hinwirft, damit der andere an ihm rumkauen kann - bin total fasziniert, möchte das mal versuchen zu filmen. Am Schluss lagen die beiden in der Wiese und haben Maulspiele gemacht - so krank :thumbsup:
[/QUOTE]@Troll: wie abartig ist das denn was du da beobachtet hast :irony: ich hab bloss keine ahnung von wem hier die rede ist..dachte zuerst bei wolf gleich an jemanden aber der kanns nicht sein..das SEminar ist ja in deutschland irgendwo ;)

@fabienne: du warst also auch dort? ch ch ... schildere doch auch noch deine eindrücke..aber bitte.. *freinachschnauze* :thumbsup:

 
ok, aber es tönte jedenfalls nach herr F... ;) wusste nicht, dass der gleich nochmals hier in der nähe war...

 
Ich sag nicht viel, möchte Rebeccas Auftritt nicht versauen aber irgendwie hat da total der Rote Faden gefehlt, hat ständig das Thema gewechselt und man kapierte nicht die zusammenhänge. Vielleicht sind wir Besitzer von spielenden Hunden auch etwas krank :evil: was ich ganz krass fand, ständig kamen gute Ansätze, noch bessere Ansätze und *paff* versaute ers wieder mit irgend einem dummen Spruch bzw. Tip wie man da und dort handeln sollte. Man soll bei Hunden die einem anspringen nicht das Knie hochziehn, auch nicht auf die Pfoten treten aber *patsch* (sein Lieblingswort) mit der flachen Hand auf den Kopf hauen :evil:

 
Laut dogevents gabs gestern und vorgestern Abend nicht viele verschiedene Themenabende ... Namen brauchen ja nicht genannt zu werden.

 
[QUOTE='sighthound]ok, aber es tönte jedenfalls nach herr F... ;)
[/QUOTE]Habs jetzt nochmals in Ruhe durchgelesen und dachte auch es könnte der Herr sein. Bin gespannt wies weiter geht :thumbsup:
 
Bin früher von der Sitzung Heim gekommen, darum gehts jetzt schon weiter..

Die Pause hatte ich voll ausgenutzt. Körperlich wieder in einwandfreiem Zustand schlenderte ich bewusst gemütlich an meinen Platz um dabei die verschreckten Zuschauer in der ersten Reihe zu mustern. Die sahen soweit in Ordnung aus und es bestand augenscheinlich kein Bedarf an Notfalltropfen. Nachdem ich weiteres Papier besorgt hatte und das extrem kleine Gekritzelte vom letzten Blatt übertragen hatte, war ich bereit für Runde zwei.

Abermals eröffnete der ältere Hutträger mit Zahlen den weiteren Vortrag.

„Ich habe über 2 500 Hunde therapiert, darunter waren Hunde die anderen Hunde getötet hatten. Die konnte ich nach 20 Minuten wieder in eine Gruppe von anderen Hunden hineinführen und die haben nichts mehr getan.“

Hunden geht es immer darum zu klären, was wäre wenn… Ich setze die Grenzen, kommuniziere hochritualisiert auf der Instinktebene“

Das ist Kommunikation die Bindung macht. Dummies- spiele, Hundesport, Schutzdienst und der ganze Scheiss. Das ist Vergewaltigung der Hunde.“

Anscheinend hatte ich mir in den vergangenen 90 Minuten doch schon so eine Art Lederhaut geschaffen, denn weder die Aussage an sich, noch die immer lauter werdende Stimme riss mich dieses Mal in die Höhe. Zwischendurch meine Blindschrift kontrollierend, beobachtete ich immer intensiver den Referenten. Es wäre ja schon fast putzig gewesen, dem stampfenden Mann zu zusehen. In einem kurzen neckischen Moment erinnerte er mich an Rumpelstilzchen. Doch dieses Feuer, diese Inbrunst beunruhigte mich immer mehr. Da spürte ich einen Zorn dahinter, dass ich zeitweise ein äusserst Flaues Gefühl im Magen bekam.

„Ich habe es den Wissenschaftlern schon vor 20 Jahren gesagt, aber die anerkennen heute noch keine meiner Theorien!“ „Dieser Dr. Dr. Dr. , der angeblich so viel von Wölfen weiss, der weiss ja auch nichts!“

Derweil lief der Film weiter. Anfa`s Welpen hatten nun schon eine recht stattliche Grösse erreicht. Eine neue Filmsequenz wurde gezeigt, allerdings aus dem gleichen Film über die in Gefangenschaft lebenden Wölfe. Eine Wölfin wurde von einer grossen Anzahl anderer Wölfe gejagt, bis sie erstarrt an einem Ort blieb. Im Originalton des Filmes hiess es dann, dass diese Wölfin enormen Stress hatte und Unterwürfigkeit zeige.

Stopp, glaubt das nicht, das ist alles Quatsch.“ Brüllte er in sein Hadset-Micro. „In Wirklichkeit führt sie das Ganze an. Sie bestimmt! Die Rute ist gar nicht wirklich eingezogen, die klebt nicht am … ihr wisst schon.. da ist noch Luft dazwischen. Sie leitet das Spiel immer wieder auf den Balzplatz.“

Hääää??? Hatten wir die Spezies gewechselt und ich hab`s verpasst? Und noch besser, die davonrennende Wölfin war der Leader? Meine Güte, das liess mir meinen Panikhund in völlig neuem Licht erscheinen. Die rennt davon und zeigt den anderen den Weg!!! Sie knallt dabei in Bäume, Zäune und überquert Strassen um ihnen etwas beizubringen!!! Denn mein Hundchen klemmt dabei die Rute auch nicht bis an den Anschlag ein, neeeiiin, die hat auch noch Luft dazwischen.

Während meine Gedanken so durcheinander purzeln, höre ich nebenbei noch, dass es Mobbing gar nicht gibt, und wenn überhaupt, dann nur bei sehr schlecht sozialisierten Hunden.

„Welpengruppen sind nur gut, wenn sie mindestens 10,15-20 Welpen drin haben. Da bleibt denen keine Zeit um ein Thema aufkommen zu lassen. Wenn ne Welpengruppe nur 5 Welpen drin hat, dann geht das höchstens 2 Minuten gut“

Was war denn jetzt wieder los. Ich schaute meine vollgekritzelten Blätter durch. DA, Seite 2, stand geschrieben. Welpengruppen sind Scheisse, da werden Hunde nur versaut wegen der Gruppendynamik. Aber kaum hatte ich meine Adleraugen wieder auf den lustigen Jägersmann gerichtet, wechselte er das Thema.

Das mit dem Balzplatz, aus dieser Verhaltensweise habe ich die Steadiness – die Standruhe geübt. Das ist kein Erstarren! Das ist kein Kommando, es ist ein Symbol, einer Interaktion die man generalisieren muss“

OK, da musste ich zugeben, das überstieg meinen Horizont. Ich grübelte dem weiter nicht mehr nach, da ich weiter schreiben musste.

.....

 
.....

„Man muss dem Hund gegenüber immer Präsenz zeigen, 24 Stunden am Tag“ Jup, das hatten wir schon, musste nicht mal nachschauen, das ist mir geblieben.

„Der Ranghöchste beteiligt sich NIE am Spiel, warum sollte er sich dem ausliefern? „ OK, das war in diesem Themenabend neu, aber hatte ich auch schon woanders gelesen.

Wenn der Hund seinen Halter anspringen will, dann soll er dem Hund ein Warnzeichen geben und ihm dann eine Patschen, aber nicht so wie der Schweizer Trainer mit dem Gartenschlauch. Ich selber bevorzuge ja Gartenstühle“

Vor sich hin kichernd drehte sich der Mann mit Hut wieder dem Film zu und übersah dabei beinahe eine Frau, die ihm eine Frage stellen wollte. Beinahe. Sie stellte dann die einfache Frage: Was kann ich tun, wenn mein Hund fremde Personen anspringt?

„ Jo Hergottszeiten, sagst sicher der olden Frau die dei Hund ospringa will, patsch ihn nieder! Soller denn lernä, das olde Omas patschen? Scho mol vo sowas wie Abrufen gehört? GEHORSAM??? „

Mir klingelten die Ohren vom Gebrüll und ehrlich, ich schämte mich etwas für ihn. Die Leute herum lachten und schüttelten wegen der wohl doofen Frage die Köpfe.

Wenn der Hund einen Laut vom Halter ignoriert, so muss man ihm den wieder bewusst machen. Man muss den Hund hemmen können! Wenn ich rufe: Stehenbleiben oder ich schiesse, muss ich das auch umsetzen. Jeder Hund braucht ein Abbruchsignal! “

Ab hier beschloss ich, zu meinem eigenen Wohle, nicht mehr so genau hin zu hören. Ich liess das Inhaltliche weg und konzentrierte mich eigentlich nur noch auf Gestik und Mimik des Referenten. Das war keine kluge Entscheidung. Bislang dachte ich eigentlich, dass ich eine gestandene Frau sei, die nichts so schnell erschüttern konnte. War mir schon vorher aufgefallen, dass Themen mit einer Vehemenz angegangen waren, so viel mir nun auch noch auf, dass der Redner grade zu glühend über seine Opfer her fiel. Da war der TV Hundepsychologe, der quadratisch – guten- Müll erzählte. Der Schweizer Gartenschlauchwerfer, der Dr. Dr. Dr. aus Deutschland, die Calming Signals Tante und die Autorin des komischen Buches über Ausdruckverhalten der Hunde. Alle bekamen sie mit derselben Vehemenz ihr Fett weg.

Ganz zum fürchten wurde mir dann doch noch bei einer Geschichte, die der Jägersmann voller Stolz erzählte. Hatte es doch ein Hund gewagt ihn zu hinterfragen, den hat er ritualisiert Angesprungen und zu Boden gebrüllt. Das Vieh sein geflüchtet und habe sich in einem Zaun verheddert, sich dabei angepisst und vollgekackt.

Da stand er nun, der liebe Referent, strahlte von einem Ohr zum anderen, die Brust stolz geschwellt.

Dann klinkte ich mich völlig aus. Legte mein Schreibzeug zur Seite und wartete stoisch auf das Ende.

Einen letzten Satz aber konnte ich mir noch merken, wobei er in meinen Ohren doch ziemlich zynisch klang:

Hunde sind abzuholen, wo ihre Instinkte sind“

Zitternd entfernte ich mich aus dem Saal und im Vorbeigehen sah ich einige Menschen um ein Autogramm anstehen. Das zittern hielt an, die ganze Heimreise lang. Fassungslos darüber, dass viele Menschen ihr Mitgefühl, ihr selbstständiges Denken und ihre Friedfertigkeit so sorglos an der Kasse abgegeben hatten.

Zuhause kamen mir meine Hunde entgegen. Ein Blick genügte und sie legten sich… aufs Sofa ganz ohne zu pinkeln. Instinktiv suchten sie meine Nähe und beruhigten mich auf so unendlich sanfte Weise, bis ich in der Lage war, den ganzen Abend halbwegs zu verdauen. Keiner meiner Vierbeiner hat jemals den anderen gepatscht, keiner hat den anderen jemals auf den Rücken gedreht und niemals habe ich erlebt, dass einer den anderen anbrüllte. Nun lebe ich mit dem Bewusstsein in den Augen des Referenten, ein Rudel verzüchteter, im Kopf kranke Hunde zu haben. Es macht mir nichts aus…

NE ICH FREUE MICH DARAN!!!! :headbang: