Hoi Disi!
Ist gerade sehr cool, dass Du dieses Thema ausgepackt hast. Auf der Messe am Wochenende (Wohlfühlmesse in Bronschhofen) hab ich das zwei mal vorgeführt wie sowas aufgebaut werden kann. Ist mir auch ein wichtiges Thema, vor allem in Bezug auf die vielen Hunde die ich kennenlernen durfte, die beim Tierarzt im Fall einfach mit dem Maulkorb drangsaliert werden und die teils heftige Traumatas abbekommen haben.
Ich habe bisher keinen Hund kennenlernen dürfen, der den Maulkorb sofort ohne Anstand getragen hat und sich dann auch noch natürlich verhält (bei extrem hoher Erregungslage klappt das sicher, aber ich meine jetzt in normalen Alltagssituationen). Aber natürlich kann es auch das geben. Die meisten Hunde versuchen aber entweder das Teil permanent abzustreifen, wälzen sich vermehrt in der Wiese oder erstarren und laufen mehr oder weniger gar nicht. Manche werden auch einfach stocksteif und unentspannt, pieseln und schnuppern nicht mehr und das soll ja nicht Sinn der Sache sein.
Für eine Tierarzt-Situation mag es noch ganz "praktisch" sein, wenn der Hund einfach stocksteif stehen bleibt, (wenn ich auch das definitiv nicht befürworte) aber für das von Dir angedachte Training ist ja das Ziel dass Dein Hund sich komplett natürlich verhält.
Wie trainieren?
Die Anfangs-Situation mit Leckerchen durch den Maulkorb, Le Parfait und ähnliches wurde ja schon gesagt. So beginne ich auch. Der Maulkorb wird zum Futterkorb und soll positive Aktionen ankündigen, somit kann ich schon mal die zugeöhrige emotionale Verfassung positiv beeinflussen.
Relativ bald beginne ich aber damit das Futter nicht immer direkt im Maulkorb zu haben, sondern etwas davon entfernt. Wenn die Hunde klickererfahren sind, kommen sie sehr schnell drauf, dass es das Futter nur im Maulkorb gibt und stecken dann die Nase erwartungsvoll in den Korb. Aber auch mit nicht so erfahrenen Hunden klappt das gut, da muss man einfach noch mehr kleine Zwischenschritte einbauen.
In der Regel braucht es max. 2 Tage mit wenigen Übungen, dass die Hunde ihre Nase freiwillig und selbstständig in die Öffnung stecken.
Dann baue ich die Zeit langsam aus. Ich belohne also, wenn der Hund die Nase selbstständig etwas länger im Korb lässt, lege die Leckerchen etwas weiter weg wo ich sie holen muss, und belohne dann, wenn die Nase im Korb bleibt. Auch das natürlich angepasst. Ziel ist, dass der Hund lernt zu warten und in der Position zu verbleiben, denn so lässt sich der Maulkorb viel einfacher schließen.
Wenn der Gurt geschlossen wird, halte ich den Maulkorb weiter fest und füttere direkt weiter, dann kommen die ersten Schritte, der Hund darf also mit MK laufen. Einige Hunde müssen mit Maulkorb richtig laufen lernen! Die ganze Aufmerksamkeit hängt so an der Nase fest, dass manche Hunde dann zum stolpern beginnen und natürlich versuchen sie das komische Teil loszuwerden da es irritiert. Damit es gar nicht soweit kommt, führe ich den Hund mit der Hand unten am Maulkorb langsam weiter und belohne jeden einzelnen ausgeführten Schritt. Nach und nach lasse ich diese Hilfe weg. Das könnte man natürlich auch noch am offenen MK aufbauen, aber so klappt es auch ganz zuverlässig.
Mit der Zeit werden selbstständige Schritte belohnt und das ganze weiter ausgebaut.
Super ist es, wenn die Hunde Kunsstücke ausführen können, dann werden genau diese mit ihnen durchgespielt und Mini-Schritte jeweils belohnt. Auch das solange, bis der Hund souverän die Bewegungen ausführt und die Aufmerksamkeit nicht mehr nur auf dem Maulkorb liegt.
Wenn das alles gut klappt geht es zum Spazieren, wobei die Anfangssituation vom MK-tragen immer mit einigen Futterspielen überbrückt wird, bis sich der Hund entspannt verhält. Ist das der Fall, schnuppern die Hunde in der Regel auch ganz normal, und zeigen auch sonst kein verändertes Verhalten mehr. Dann kann das Training beginnen.
Wichtig ist übrigens, dass die Fütterung durch den Maulkorb explizit geübt wird, denn das ist gar nicht so einfach!
Beim Gittermaulkorb hat es sich bewährt, 1. in die oberen Gitter zu fassen und damit dem MK und die Schnauze des Hundes kurz zu fixieren um dann 2. die flache Hand mit dem Futter UNTER den MK zu führen und das Futter durch die Gitter zu schieben.
Auch durch das Futterloch vorne kann gefüttert werden, das klappt aber nicht so zuverlässig wie erst genanntes.
Teilweise klappt es auch super, das Futter seitlich durch die Stäbe zu schieben.
Welcher Maulkorb?
Ich habe einige Maulkörbe ausprobiert und schwöre auf die Baskerwille-Maulkörbe aus Kunststoff, die es aber im normalen Fachhandel in der Regel nicht zu kaufen gibt.
Vorteil an diesen:
Sie sind leicht zu tragen! Metallmaulkörbe sind teilweise extrem schwer und einige Hunde gewöhnen sich kaum daran. Außerdem sind die Gitter sehr hart und können heftigere Prellungen verursachen als der flexible Kunststoff.
Die Baskerwillie-Maulkörbe können bei 50°C (einfach in heißes Wasser legen) verformt und so der Schnauzenform des Hundes angepasst werden. Wenn sie abkühlen nehmen sie die gewählte Form an. Bei Collis ist das im Normalfall nicht so nötig, aber bei Hunden mit breiteren Schnauzen steigt der Komfort enorm, wenn der Korb nicht mehr so eng an der Schnauze anliegt.
Gittermaulkörbe im Allgemeinen bieten eine größere Maul-Bewegungsfreiheit. Zwar ist Gähnen leider nicht möglich (wichtig zum Stressabbau!), aber Hecheln und fressen oder Trinken ist damit kein Problem.
Was die Sicherheit angeht vertraue ich den Baskervill-MK total, die Klickverschlüsse sind schnell auf und zu gemacht und sitzen gut und die Kopfschlaufe ist stufenlos verstellbar.
Natürlich muss bei längerer Tragezeit immer mal wieder die Passung überprüft werden.
Das der MK kein Freibrief für aggressive Hunde sein darf ist ja hier soweit ich das lese allen klar, inklusive Desi. Für mich ist der MK ein wichtiges Hilfsmittel wenn es darum geht im Training die Grenzen auszuloten ohne die Gefahr von ernsthaften Verletzungen in Kauf nehmen zu müssen. Gerade beim Sozialverhalten bleibt es häufig dabei, dass als unvertäglich geltende Hunde einfach keinen Kontakt mehr bekommen, oder dieser nur noch gesichert an der Leine stattfindet ohne dass die Hunde sich mal frei kontaktieren dürfen. Ein Restrisiko besteht schließlich immer.
Das Training beinhaltet meist, dass man an anderen Hunden souveräner vorbei kommt, ohne dass je ernsthafte Sozialkontakte zugelassen werden. Wenn man dann schon einen Hundehalter ausfindig machen konnte, der sich für ein intensiveres Training zur Verfügung stellt, sollte auch die Sicherheit des Hundes berücksichtigt werden.
Ich bin mir sehr sicher, dass Desi ihren Rüden nicht bei voll gesteigerter Erregungslage einfach mal ableint um zu sehen was passiert
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Auch wenn die Hunde schon über den üblichen Sicherheitsabstand an der Leine kommuniziert haben, und sie sich soweit freundlich zu begegnen scheinen, heißt das jedoch nicht, dass es im Kontakt dann nicht doch noch zu einer "Meinungsverschiedenheit" kommen wird. In der Regel ist eine solche auch nicht weiter schlimm, wenn beide Hunde ein gesundes Aggressionsniveau haben und es sich um einen gehemmten Kampf handelt. Aber das weiß man ja nicht immer vorher!
Mit MK kann man sich das deutlich entspannter ansehen, ohne ein Risiko eingehen zu müssen. Zusätzlich ist es auch schlicht so, dass Menschen auch mal Fehler machen und eine brenzlige Situation möglicherweise zu spät entdeckt wird, so das vorher greifende Konfliktvermeidende Strategien nicht mehr wirken können. Da ist ein MK dann doch eine gute Hilfe, man kann sich einen Fehler eher mal leisten, ohne gleich mit schlimmen Folgen rechnen zu müssen.
Ragnarson hat seine ersten Begegnungen mit Hunden in meiner Hand fast ausschließlich mit MK oder Kopfhalfter üben dürfen, inzwischen ist Beides nicht mehr nötig weil ich ihn immer besser einschätzen kann und er gelernt hat sich auch mal zurück zu nehmen. Zu Beginn war er dermaßen impulsiv, dass er sich selbst nicht im Griff hatte. Ohne direkte Hundekontakte, wäre ich aber lange nicht soweit gekommen, dass er nun mit anderen locker mitlaufen darf. Der direkte Kontakt hat ihm unheimlich viel gebracht, auch wenn dieser arg kontrolliert und gesichert stattfand.
Kürzlich erst, konnte ich ihn auch das allererste Mal richtig raufen lassen, ohne MK und ohne eingreifen zu müssen. Mit dem richtigen Hund an der Seite und einer souveränen, erfahrenen Halterin kann das schon auch mal eine Option sein.
Und natürlich war das auch mit vorherigem Training verbunden und die Hunde hatten schon sehr freundliche und entspannte Kontakte miteinander, bevor es dann halt doch mal "geknallt" hat.
Für meinen Hund war es eine wichtige Erfahrung er wurde deutlich zusammengestutzt. Gehemmt aber deutlich.
Es gab keine Verletzungen zu benanstanden, und ich weiß nun, dass mein Hund auch in einer Auseinandersetzung gehemmt agieren kann. Bis dahin war ich mir da nicht immer so sicher...
Von daher finde ich die Idee an sich absolut korrekt, das so anzugehen wie Desi es vor hat. So wie ich bisher von ihr gelesen und gehört habe arbeitet sie sehr überlegt und fast ausschließlich über positive Verstärkung erwünschten Verhaltens. Das sollte doch eigentlich ein Grund sein sie in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Sie kommt sicherlich nicht nach Baumann oder Schlegel... :escape:
Grüssle,
Katrin