Naja, das mit der Führung ist in diesem Fall so eine Sache. Hunde verlangen von sich in der Regel nicht, auf einen Rückruf unter allen Umständen sofort hier hier zu kommen. Sie haben auch kein Problem damit das jugendliche Rudelmitglider halt mal ne Solorunde drehen und eigene Erfahrungen sammeln.
Das Problem habe ich auch nicht, wenn meine mal was im Alleingang machen. Wenn sie es in einer Situation wollen, wo ich es als gefährlich erachte, dann kommen sie heute auch wenn ich rufe, da sie gemerkt haben, dass es einen Grund hat und es für sie von Vorteil/lohnenswert ist auf meine Entscheidungen zu hören.
Ich kenne diese Regeln alle und hatte sie früher genau so als absolut notwendig und wichtig erachtet. Aber Führung ist nicht alles, denn wir verlangen von unseren Hunden einfach so viele Dinge, die gar nicht so natürlich sind und mit Führung in der Form nichts zu tun haben.
Ich muss ehrlich sein, ich kenne diese Regeln nicht, die du hier ansprichst. Sondern habe mir einfach ganz viele Gedanken gemacht, wie würde das ein Leitund jetzt machen, wie ist diese Situation für den Hund, was geht dabei in einem Hund ab. Aus diesem Grund meide ich im Alltag auch möglichst viele "hundeunlogische" Dinge. Als kleines Beispiel damit man es nachvollziehen kann: Mir ist es absolut egal, wo meine Hunde liegen, ob in einem Hundebett oder daneben, ob im selben Raum oder in einem anderen Raum. Ich muss sie nicht laufend kontrollieren. Das ist ihr persönlicher Freiraum. Ausser es gibt einen Grund weshalb ich sie irgendwo nicht möchte, dann beanspruche ich einfach diese Ressource für mich. Mir ist es auch egal wo meine Hunde sind, wenn wir essen, sie haben einfach nicht am oder unter dem Tisch zu sein. Futternapf wird hingestellt, da braucht es kein Sitz warten oder weiss ich nicht was, denn ihr Futter ist mir ja egal, das will ich nicht.
Da, wo es für den Hund Sinn macht, nutze ich das auch, aber wenn ich meinem Hund etwas beibringen möchte, das nichts mit dem üblichen Rudelverhalten zu tun hat greife ich auf die Dressur zurück. Das eine schliesst das andere nicht aus.
Aber wie labinchen so schön schreibt, zuerst muss die Führung klappen, die Zirkusnummern können dann kommen und sich seinem Menschen anschliessen, wenn der das möchte, hat für mich mit Rudelverhalten zu tun. Ausserdem muss ich meinen Hunden nichts beibringen (ausser eben Zirkusnummern, die sie so nicht zeigen/machen würden), ich muss nur die Kommunikation, den Auslöser finden, damit der Hund es tut.
Mein Hund ist wirklich ständig mit mir im Kontakt, er hat einfach einen grossen Radius, rassebedingt, schaut aber wirklich häufig zu mir zurück, reagiert sehr zuverlässig und freudig auf meine Angebote. Er orientiert sich prima an mir, ohne dass ich viel sagen muss. Aber er entscheidet in einigen Fällen einfach anders, als ich es gerne von ihm hätte. Das hat nichts damit zu tun, dass er mich nicht ernst nimmt oder mich nicht als Führungskraft wahr nimmt sondern mehr damit, dass er einfach neugierig ist und das Verhalten lohnenswert ist. Der würde danach sofort wieder kommen, das ist aus Hundesicht keine "straftat".
Sei froh, hat dein Hund überhaupt einen Radius. Für meine war das ein Fremdwort. Ab der Leine, ging die einfach und interessierte sich nicht die Bohne wo Mensch gerade war oder ob Mensch überhaupt noch da war. :ugly: Du hast Recht, es ist keine "Straftat" aus Hundesicht. Deshalb finde ich eben diese Techniken mit dressieren so schade, weil sie am eigentlichen hündischen Verhalten nicht entsprechen. Der Hund lebt im Rudel weil es ihm da besser geht, weil es seinen Anlagen entspricht und die Hierarchien gibt es, weil es sich lohnt, dass es sie gibt. Wieso gestalte ich mein Leben mit dem Hund nicht einfach so, dass er die Erfahrung machen kann, dass es sich lohnt mir zu vertrauen und sich mir anzuschliessen? Wenn er was jagen will, dann soll er jagen, nur er guckt schlussendlich in die Röhre (ist ja meist der Fall) und ich eben nicht. Also macht er die Erfahrung, dass es sich lohnt mit mir meine ausgesuchte Beute zu jagen, weil er da nicht nur das tolle Erlebnis der Jagd hat, sondern noch eine Beute dazu.
Aber, dass man soweit kommen kann, dass es auch in den Knackpunkten funktioniert, muss das Fundament dafür im eigenen Territorium und im generellen Umgang über 24 Stunden mit dem Hund zuerst gelegt werden. Wenn da aber gleichzeitig zuviel über Dressur läuft, dann kann sich so eine Basis nicht festigen.
Ganz liebe Grüsse,
Katrin