Liebe Anita,
ich hoffe Deine Mutter ist damit einverstanden, dass Du den Brief so veröffentlichst?
Da dort einige Fragen versteckt sind, die ich beantwortet habe, stelle ich einige meiner Antworten auch noch mit rein.
Nachts verschwand sie im UG, mit Stress-Shirt und hielt sich ruhig. In unserem Haus wohnt ein anderer Hund, in der unmittelbaren Nachbarschaft noch vier weitere! Es war mir praktisch nie möglich, Anda ruhig und ohne Gebell morgens aus dem Haus zu bringen. Unterwegs wurden dann alle Zwei- und Vierbeiner angekläfft. Was ich sehr negativ empfand war, dass sie einen 5 Monate alten Welpen agressiv anbellte und ihn nicht in ihre Nähe liess. Habe ein weiteres Zusammentreffen vermieden, um dem kleinen Hundi ein weiteres negatives Erlebnis zu ersparen.
Jede Stresssituation (bellende Hunde, Umstellungen, neue Situationen, neue oder als stressig bekannte Umgebung, wechsel der Bezugsperson ect. ) belastet die Fähigkeit weitere Stressoren zu kompensieren. Anda hat aufgrund ihrer Geschichte ohnehin Defizite mit stressigen Situationen umgehen zu können und fährt daher recht schnell hoch. Wenn dann innert kurzer Zeit dieses Stresssystem stark belastet wird, ist sie in weiteren Situationen vollkommen überfordert und reagiert über.So ein Welpe mit 5 Monaten kann da durchaus sehr belastend sein, gerade für Anda, die ohnehin Schwierigkeiten hat mit Hunden sovuerän zu kommunzieren. Junge Tiere und Menschen reagieren häufig unvorhersehbar, sind wild und hektisch, das ist nicht so leicht einzuschätzen und damit umzugehen, wenn die Nerven ohnehin schon blank liegen.
Das Verhalten gegenüber dem Junghund kann ich daher vollkommen nachvollziehen, das ist aus Andas Situation heraus vollkommen verständlich.
Es ist daher definitiv sinnvoll gewesen, keine weiteren Kontakte zuzulassen, für BEIDE Hunde.
- Anda kotet mindestens 6x täglich, was m.E. nicht normal ist
Das ist tatsächlich ungewöhnlich. Haben Sie das gleiche gefüttert, das Anita nun gibt oder bekam sie noch etwas anderes dazu? Bei Anita hatte sich der Kotabsatz ja deutlich reduziert. Es könnte ebenfalls mit Stress zusammenhängen (wie war denn die Kotkonsistenz und -farbe?) oder mit anderen Futterbeigaben, die sie nicht so gut verdauen kann.Das Stresssystem und die Verdauung sind in ihrer Funktion eng mit einander verbunden, daher ist dies eine sehr wichtige Information.
- Schwierig war für mich die Situation als 2x Besuch zu uns kam. Anda liess sich nicht beruhigen, hat in der Küche ununterbrochen gebellt, verhielt sich jedoch schnell ruhiger, als sie raus durfte, mit einem Sauohr, hat sich aber immer zwischen die Menschen gedrängt oder unter den Tisch gelegt. Ich kann nicht Gäste betreuen und den Hund erziehen im gleichen Moment!
Das ist natürlich immer schwierig, aber wenn sie sich recht bald beruhigen konnte, hält sich das ja noch in Grenzen. Man kann einfach nicht alles haben .
- Mehrmals habe ich Anda gebürstet, fein, ohne Druck. Sie mag es nicht besonders gerne, hat aber nie nach mir geschnappt
Darf ich fragen, warum Sie sie gebürstet haben? Hatte sie sehr stark gehaart, dass es nötig schien?Es ist für Anda einfach eine Tortur, die wir ebenfalls in den nächsten Stunden gemeinsam angehen möchten. Anda kann möglicherweise lernen dies mehr zu geniessen oder es zumindest weniger unangenehm zu finden, dafür sollten aber unnötige und deutlich unangenehme Bürstaktionen möglichst vermieden werden.
Mehr fällt mir momentan nicht ein, sehe jedoch, dass es enormen Aufwand braucht um kleine Verbesserungen zu erreichen.
Aus meiner Sicht sind die Verbesserungen die bisher erreicht wurden für einen Hund in dem Alter und dieser Vorgeschichte enorm.Andas UND Anitas Verhaltensstrukturen haben sich 11 Jahre eingebrannt. Es muss hier ein weitgreifendes Umdenken auf beiden Seiten stattfinden und diese Anforderung ist nicht zu unterschätzen.
Zusätzlich ist zu bedenken, dass ich für Anita die Trainingsthemen sehr detailiert und kleinschrittig aufbereite, da sie diese sonst aufgrund ihrer Einschränkung nicht so gut umsetzen könnte. Ich bin ganz ehrlich begeistert, wie toll Anita meine Hilfen umzusetzen versteht und wie sich hierdurch nach und nach Einiges aufzulösen beginnt.
In einer anderen Konstellation mit einem jüngeren Hund wären die Fortschritte sicherlich schneller zu erkennen, aber es ist nunmal so, wie es ist.
Was für alle Beteiligten die grösste Belastung und fast nicht zu ertragen ist, ist das Verhalten von Anda bei den bekannten Situationen: Wind, Unwetter, Blitz, Donner, Feuerwerk. Anita und Stefan haben dann jeweils schlaflose Nächte mit vielen negativen Folgen am nächsten Tag. Es kann doch nicht sein, dass sich Anita oder Stefan die ganze Nacht sitzend auf dem Badezimmerboden aufhalten muss um am nächsten Tag gerädert zur Arbeit zu gehen??!!
Ein schwieriges Thema... Auch dieses Problem besteht nun schon seit 11 Jahren, wenn ich das richtig weiss und egal was gemacht wurde, selbst mit Beruhigungsmitteln gab es hier immer schlaflose Nächte zu überstehen inklusive einer heftigen Überforderung auf beiden Seiten.Anda hat keine Idee, wie sie diesen für sie belastenden Reizen aus dem Weg gehen oder wie sie die Situation für sich akzeptabel gestalten kann und die zweibeinigen Beteiligten wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen wenn Anda so abdreht.
Auch hier ist es schlicht und einfach ein Prozess der langsam eingeleitet wird. Die erste Idee war nun, das Anita eine Möglichkeit findet Anda in dieser Situation zu unterstützen, ohne alles noch schlimmer zu machen.
Schlaflose Nächte gäbe es auch ohne diesen Schritt, nur dass der Stresspegel auf beiden Seiten jedesmal deutlich stärker ansteigt als mit dieser Aktion. Sobald eine Strategie gefunden werden kann, die eine Besserung der Situation mit sich bringt, sinkt der Stresspegel und die schlaflose Nacht ist zwar immer noch nicht toll, aber besser als wenn der Stresspegel zusätzlich dermassen ansteigt. Diese neue Strategie setzt also gegen die bisherige HILFLOSIGKEIT in der Situation an. Wenn das funktioniert, werden wir die Strategie Schritt für Schritt verändern können. So kann Anda am Ende mit etwas Geduld und Glück vollkommen ohne Anitas Anwesenheit im WC entspannt liegen und das Unwetter verschlafen.
Meine Kollegin Sandra Fust sucht immer noch nach Möglichkeiten, wie Anda durch naturheilkundliche Verfahren zusätzlich unterstützt werden kann, da aber auch ihr Verdauungssystem noch so stark belastet ist macht es dies besonders schwierig. Wir wollen ja keine Symptome unterdrücken, sondern langfristig die Situation für alle Beteiligten positiv beeinflussen.
Wir bleiben dran, versprochen.